: Grüne Kritik an Lafontaine
■ Resolution des Grünen–Parteitags nennt „schweren Schaden“ für gewerkschaftliche Position / Die Verwirklichung von Lafontaines Thesen führe zu einer Schwächung der Gewerkschaften
Berlin (taz) - Die Grünen haben scharfe Kritik am saarländischen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine und seiner Forderung nach Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich bei den oberen Einkommen geübt. In einer vom Parteitag am Wochenende verabschiedeten Resolution werfen die Grünen dem SPD–Politiker vor, der gewerkschaftlichen Position bei den Tarifauseinandersetzungen „schweren Schaden“ zuzufügen. Lafontaines Vorschläge, den „Rationalisierungsdruck“ durch maßvolle Tarifpolitik zu senken, deckten sich „völlig mit dem, was ArbeitgeberInnen und die Bonner Regierungsparteien seit Jahren predigen“. Sollte der DGB auf die Vorschläge eingehen, so sehen die Grünen eine umfassende Schwächung der Gewerkschaften voraus: „Wie sollte der DGB noch glaubwürdig gegen Zwei–Drittel–Verträge und Job– Sharing, gegen Teilzeit– und „Kapovaz“–Verträge ankämpfen, wenn er selbst das Wort vom „Rationalisierungsdruck“ aufnimmt und Lohnverzichte propagiert?“ Auch „der oft und gern propagierte Gehaltsverzicht für AkademikerInnen und LehrerInnen“ ist für die Grünen keine Alternative. Wer gegen Lehrerarbeitslosigkeit und für bessere schulische Versorgung vorgehen wolle, „sollte stattdessen gegen die unsoziale Steuerreform, Subventionen, Rüstungsausgaben und Großprojekte Front machen“. Darüberhinaus heißt es in dem Papier zwar auch, die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst hätte allein „durch eine drastische Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich für untere und mittlere Einkommen“ effektiv zum Abbau der Arbeitslosigkeit führen können. Was jedoch mit den höheren Einkommen passiert, und inwieweit sich diese Position von Lafontaines Ansinnen unterscheidet, wurde dagegen nicht weiter ausgeführt. In einer während der SPD–Präsidiumssitzung gestern verteilten Stellungnahme zum Parteitag der Grünen bedauerte Lafontaine, daß der realpolitische Flügel in Ludwigshafen „leider“ mit seiner Forderung nach kürzerer Arbeitszeit und Lohnverzicht der Besserverdienenden unterlegen gewesen sei. Mit diesem Beschluß hätten sich dort „antiquierte, orthodoxe Positionen“ durchgesetzt, die die Arbeitslosen auf den „Sankt Nimmerleinstag einer durchgreifenden gesellschaftlichen Veränderung“ vertrösten wollten, meinte der saarländische Regierungschef. ulk Siehe auch Kommentar S.4
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