piwik no script img

Grüne Kraft im schwedischen Reichstag

Nach Wahlen haben Sozialdemokraten und Kommunisten eigene Mehrheit / Bürgerliches Lager geschwächt / 20 Grüne sitzen im Parlament / Umweltpartei entgegen Erwartungen nicht Zünglein an der Waage / Bestes Ergebnis für Kommunisten seit 20 Jahren  ■  Von Gisela Pettersson

Stockholm (taz) - Die erste Wahl in Schweden nach dem Attentat auf Olof Palme trägt historische Züge: Erstmals seit 70 Jahren schaffte mit den Grünen eine neue Partei den Sprung in den Reichstag. Sozialdemokraten und Kommunisten (vpk) bauten ihre Mehrheit aus, während die Liberalen und die Moderate Sammlungspartei (vergleichbar mit der CDU) fassungslos vor den größten Verlusten seit den vierziger Jahren stehen. Die Centrums (Bauern)-Partei dagegen, die zusammen mit Liberalen und Moderaten den sogenannten bürgerlich/konservativen Block im Reichstag bildet, legte zwei Prozent zu und gehört damit ebenfalls zu den Gewinnern der Wahlen.

Die Miljöpartiet de Gröna (Umweltpartei die Grünen), die in den Umfragen zwischen sieben und zehn Prozent gehandelt wurde, kamen in den schwedischen Reichstagswahlen auf 5,5 Prozent. Damit werden die Grünen im „Riksdag“ über 20 Mandate verfügen, aber nicht die vor allem von den Sozialdemokraten im Vorfeld befürchtete Rolle eines Züngleins an der Waage spielen. Sozialdemokraten und Kommunisten, die traditionell in einer Art Tolerierungsbündnis zusammenarbeiten, verfügen nämlich zusammen über mehr Sitze als die drei bürgerlichen Parteien und die Grünen zusammen. Unbeschadet ihrer stolzen Liste von Skandalen mußten die Sozialdemokraten Stimmenverluste von nur 1,1 Prozent hinnehmen und sitzen weiter im Regierungssattel, vor allem auch dank des unerwartet hohen Wahlerfolgs der vpk (Kommunistische Partei). Die Kommunisten erzielten mit 5,9 Prozent ihr bestes Ergebnis seit 20 Jahren. Sozialdemokraten und vpk besetzen zusammen 177 der 349 Reichstagsstühle, Moderate, Liberale und das Centrum 152 und die Grünen 20. Die Sozialdemokraten, die 43,7 Prozent der Stimmen erzielten, sind außerdem mit ihren eigenen 156 Sitzen stärker als die drei bürgerlichen Parteien zusammen.

vpk-Vorsitzender Lars Worner hat in einer ersten Stellungnahme angedeutet, wie er sich angesichts der Mandats -Realitäten eine Zusammenarbeit im neuen Reichstag vorstellen kann. Er jedenfalls will nicht allein auf das Pferd „Sosserna“ (Ulkwort für die Sozialdemokraten) und vpk setzen, sondern er empfahl dem alten und neuen Regierungschef Ingvar Carlsson bereits in der Wahlnacht, vor allem in umwelt- und verteidigungspolitischen Fragen die Nähe der Grünen und der Centrumspartei zu suchen. Damit wären seit Jahrzehnten zementierte Blockbildungen im schwedischen Reichstag aufgebrochen, in dem sich bisher starr der sozialistische (Sozialdemokraten und vpk) und der bürgerlich/konservative Block (Liberale, Moderate und Centrum) gegenübersaßen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen