: „Große Wirrnis“ beim Datenschutz
■ Datenschutz-Novellierung droht an Streit über Parlamentsrechte und Konfusion zu scheitern
Die Angleichung des Datenschutzes in Bremen auf das Bundesniveau droht an den Bremischen Verfasssungs-Spezialitäten und der Angst der Abgeordneten vor dem Auge des Datenschützers zu scheitern. Auch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode ist unklar, ob sich die Fraktionen der Bürgerschaft darauf einigen werden, in der Parlamentssitzung im Mai doch noch die Novellierung des Bremischen Datenschutzgesetzes zu beschließen. Für eine solche Verabschiedung plädierte gestern vehement Bremens Landesbeauftragter für den Datenschutz, Stefan Walz: „Wer die Rechte des Bürgers gegenüber der Verwaltung stärken, wer Kontrollücken abbauen, wer entbürokratisieren will, darf diese Neufassung jetzt nicht mehr scheitern lassen.“
Eigentlich sollte die Novellierung des Gesetzes schon längst erledigt sein. In 12 Sitzungen hat der Datenschutzausschuß der Bürgerschaft diese Änderung vorbereitet und zur ersten Lesung im Februar dem Parlament vorgelegt. Die neue Fassung sieht mehr Rechte für die BürgerInnen an ihren Daten vor: Schadensersatz bei unerlaubter Weitergabe persönlicher Daten, Auskunftsanspruch auch bei Dateien, die von mehreren Behörden betrieben werden, mehr Recht auf Akteneinsicht. Völlig überraschend meuterte die CDU im Januar dann allerdings gegen die geplante Neufassung,. Der Grund: Für die CDU greift der Vorschlag von Walz tief in die Rechte der gewählten VolksvertreterInnen ein.
Der Kern des Problems liegt in der Abgrenzung zwischen Parlament und Verwaltung: Was unterliegt den Vorschriften des Datenschutzgesetzes und was nicht? Das Parlament unterliegt bei Beratungen z.B. über die personenbezogenen Daten eines Bauantrages nur seinen eigenen Datenschutzrichtlinien. Die Verwaltung allerdings unterliegt dem Datenschutzgesetz. Und Stadtbürgerschaft und Bremerhavener Selbstverwaltung gelten verfassungsrechtlich als kommunale Selbstverwaltung und sinddaher Verwaltung, meint Walz. Für die CDU wiederum soll sich kein gewählter Abgeordneter der Kontrolle des Datenschutzes unterwerfen müssen: „Da brechen sich Demokratievorstellungen“, heißt es.
Walz hat Konzessionen gemacht: Für ihn fallen weder die Beratungen des Landtags noch die der Stadtbürgerschaft unter das Datenschutzgesetz, weil die Abgeordneten als Bremische Besonderheit eben beides sind. Auch in den Fraktionen und Deputationen will Walz bei parlamentarischen Handlungen nicht mit dem Datenschutz kommen, sondern das nur auf das reine Verwaltunghandeln beschränken. Diese Unterscheidung traut ihm die CDU allerdings nicht zu: Man habe Walz aufgefordert, aufzulisten, was er alles mit dem Datenschutz belegen wolle, doch solch eine Liste sei bisher nicht gekommen, heißt es. Wenn sich da nichts bewege, will die CDU beantragen, alle gewählten Körperschaften vom Datenschutzgesetz auszunehmen – also auch die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven und die gesamten Deputationen.
Am 14.April wollen die Ausschüsse für Datenschutz und Verfassung und Geschäftsordnung gemeinsam tagen, um „den Knoten zu zerschlagen“, wie Harald Neujahr, FDP, hofft. Wenn das nicht gelingt, ist mit Ende der Legislaturperiode Schluß: Dann muß in einer neuen Bürgerschaft wieder alles von vorne losgehen. „Es herrscht große Wirrnis“, meinte Walz.
Bremens oberster Datenschützer plädiert inzwischen dafür, das Gesetz so zu verabschieden wie es vorliegt und mögliche Gesetzeslücken durch Auslegung zu schließen. Unterstützung bekommt er von Justizsenator Hennig Scherf, der die CDU für die Verzögerung verantwortlich machte: „Befürchtungen, das Datenschutzgesetz könne die parlamentarische Arbeit beeinträchtigen, sind unangebracht.“ Es sei kaum verständlich daß die beabsichtigten Verbesserungen im Datenschutz an einem Streit scheitern sollten, dessen praktische Bedeutung niemand verstehe. bpo
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