: Große Träume jäh gestoppt
Mit viel Geld wollte Erwin Zacharias, Präsident von Tennis Borussia und Chef der Göttinger Gruppe, den Fußballclub pushen. Durch dubiose Geschäfte stellte sich der Finanzdienstleister selbst ein Bein
von MARKUS VÖLKER
„Going Public einer Fußball-Kapitalgesellschaft“, heißt das Werk, das Erwin Zacharias jüngst veröffentlichte. Der 52-Jährige lehrt als Honorarprofessor an der privaten Fachhochschule in Göttingen die Fächer Existenzgründung, Finanzierung und Sportmanagement. Außerdem ist er Präsident des Fußballklubs Tennis Borussia Berlin (TeBe) und Chef der Göttinger Gruppe. Auf 617 Seiten hat er dargelegt, wie das so funktioniert mit der Umwandlung eines Vereins in ein Unternehmen. Zacharias weiß also, wovon er spricht, schließlich war TeBe der erste Fußballverein in Deutschland, der in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt wurde und sich folglich mit dem schönen Firmenkürzel schmücken durfte: Tennis Borussia Fußball Gmbh & Co. KGaA.
Zacharias war dabei federführend. Er zeichnete verantwortlich dafür, dass ein heimeliger Traditionsverein aus Charlottenburg mit schrulligen Fans und reichlich Patina hinter dem Firmenlogo des Finanzdienstleisters aus Göttingen verschwand. Nach der Lizenzverweigerung durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dem Spruch des Frankfurter Landgerichts, den Antrag auf einstweilige Verfügung abzulehnen, ist es an der Zeit, ein weiteres Buch auf den Markt zu bringen. Titel: „Going Bankrupt einer Fußball-Kapitalgesellschaft oder das jähe Ende hoch fliegender Träume.“
Es begann mit viel Geld. Der eine gab vor, es im Übermaß zu besitzen. Das war die Göttinger Gruppe. Die andere wusste mit einiger Sicherheit, dass sie keines hatte. Das war die Borussia. Also fand zusammen, was zusammenzugehören schien.
Die Präsidentschaft des Schlagermoguls Jack White war gerade zu Ende gegangen. Sie hatte dem Klub nicht viel Gutes gebracht. 7,8 Millionen Mark Verbindlichkeiten lasteten auf TeBe. Angeblich Darlehen von White. Der wollte sein Geld wieder, prozessierte, bekam ein Grundstück und die Aussicht auf Rückzahlung von 3,9 Millionen Mark in drei Raten. White wartet noch immer auf Zahlung der letzten, die zweite soll erst im Frühjahr dieses Jahres überwiesen worden sein. Ansonsten, hört man, seien alle Gehälter pünktlich und in voller Höhe an Spieler und Angestellte ausgezahlt worden. Bisher beanstandete der DFB die Lizenzanträge des Vereins, respektive Göttinger Gruppe, nicht, auch nicht im Frühjahr 2000, als die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft vom DFB genehmigt wurde. Was ist also ist seitdem geschehen?
Die Antwort muss lauten: Der Fußball-Bund hat die Warnungen ernst genommen, die aus der Gerüchteküche und den Zeitungsberichten quollen. Die Augen öffneten sich erst, als die Staatsanwaltschaft Braunschweig auf Druck des Berliner Aufsichtsamts und des Justizministeriums in Hannover wegen des Verdachts auf Anlagebetrug und Untreue die Ermittlungen wieder aufnahm. Das dubiose Gebaren der Göttinger Gruppe war schon seit geraumer Zeit ein Allgemeinplatz in der Finanzbranche. Selbst die Fußballspieler ließen sich von ihren Bänkern mit Geschichten vom nahen Absturz ihres Investors füttern. Die Insider-Informationen haben sie wohl angespornt, sich vom Kuchen noch ein möglichst großes Stück abzuschneiden, bevor es vorbei ist mit den Süßspeisen.
Etwa 70 Millionen investierte die Göttinger Gruppe, verteilt über fünf Jahre, in TeBe, in der vergangenen Saison allein elf in neue Spieler. Warum gelang es trotzdem nicht, trotz guter Kicker, trotz eines anerkannten Trainers, in die Bundesliga aufzusteigen? TeBe scheiterte wohl an der friedlichen Übernahme durch ein Unternehmen, das sich im Fußballsport profilieren wollte, bei einer anderen Sportart aber ungleich versierter vorging: nämlich bei des Deutschen Liebe, Steuern zu sparen und für die Rente vorzusorgen.
„Drückerkolonnen von fragwürdigen Finanzdienstleistern“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, tummeln sich auf Teilen des Kapitalmarkts, von dem es heißt, er sei grau. Sie haben leichtes Spiel, weil es keine staatliche Überwachung gibt. Die Kniffe von Zacharias, den Focus für ein „Superhirn“ hält und der Brancheninformationsdienst Direkter Anlageschutz für ein „Genie“, und die Verflechtungen, die er geschaffen hat, können selbst Insider kaum nachvollziehen.
Grob gesagt, funktioniert das System so: Die Göttinger stecken das Geld der Anleger in Immobilien, Wertpapiere und vor allem in Unternehmensanteile. Das bringt Verluste, die aber die Investoren, so genannte atypische stille Gesellschafter, in ihrer Steuererklärung geltend machen können. Es wird in immer neue Unternehmenssegmente investiert, damit weiter steuerlich abgeschrieben werden kann. Nach einer gewissen Zeitspanne soll dann das Unternehmen Gewinn machen.
Genau das halten viele Fachleute für einen Trugschluss. Das System funktioniere nur am Anfang, wenn genug Leute einzahlen. Versiegt jedoch der Geldfluss, kommt es zum großen Crash. Der Prüfungsverband Deutscher Banken äußert deshalb „erhebliche Bedenken“, bezeichnet das Vorgehen als „höchst wagnisreich“. Das Oberlandesgericht Celle befand, es handele sich um ein „Schneeballsystem“. Ein „Totalverlust“ stehe im Raum. Selbst renommierte Wirtschaftsprüfer sind ob der Bonität im Zweifel.
Der DFB hat sich auf das allgemeine Grummeln im Dickicht des Finanzmarktes verlassen und einem möglichen Crash vorgegriffen. Zacharias will in die nächste Instanz gehen und vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Berufung einlegen. Das neutrale Schiedsgericht des DFB, wo man „nicht mit gleichen Waffen“ kämpfen könne, meidet er.
Noch sieht sich die Göttinger Gruppe missverstanden und verfolgt. Zacharias glaubt an das Image der aufrechten Kämpfer für das Gute wider das „Kartellunternehmen“ DFB. Ganz im Sinne der „Göttinger Sieben“, Professoren, die 1837 gegen die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes im Königreich Hannover protestierten, ihre Posten verloren und fortan als Wegbereiter der liberalen Bewegung in Deutschland galten. Zacharias könnte zumindest bald in die TeBe-Vereinsgeschichte eingehen – als Vereinsverweser.
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