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Große Probleme und gute Stimmung

■ Jelzin hat erste Unterredung mit Bush/ Schwierige Abrüstungsrunde/ Telefonat mit Solschenizyn

Washington (afp/taz) — Gerührt und strahlend umarmten sie sich: US-Präsident George Bush empfing seinen „Freund, den mutigen Mann“ Boris Jelzin zum ersten offiziellen Gipfeltreffen in Washington. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die Fortschreibung der START-Vereinbarung über den Abbau der strategischen Atomwaffen. Dabei sind bis zur morgen geplanten Unterzeichnung des Abkommens noch einige Hürden zu überwinden. US-Außenminister Baker bezeichnete die Probleme als „außerordentlich schwierig“. Rußland ist nach Angaben des Baker-Kollegen Kosyrew bereit, bei den Verhandlungen über atomare Abrüstung von seiner Forderung nach einem Gleichgewicht zwischen den beiden Ländern abzurücken. In einer Begrüßungsrede unterstrich US-Außenminister Baker, der Gipfel habe ein „ehrgeiziges Programm“. Er hoffe, daß den „Jahrzehnten des Schreckens“ nunmehr „Jahrhunderte der Freundschaft“ folgten. Auch Jelzin lobte die Partnerschaft zwischen den beiden Ländern.

Die Abrüstungsbeschlüsse sollen nach dem Willen der Beteiligten über den im Juli 1991 von den USA und der Sowjetunion unterzeichneten START-Vertrag hinausgehen. Dessen Ratifizierung steht noch aus. Im START-Vertrag war eine Reduzierung der strategischen Atomraketen um etwa 30 Prozent vereinbart worden.

Auf dem Gipfel möchte Jelzin auch bei US-Präsident George Bush für amerikanische Investitionen in die russische Wirtschaft werben. Bush kündigte jede mögliche Unterstützung bei der Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten an. Rußland bemüht sich derzeit um Finanzhilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Am Montag war eine russische Delegation in Washington gewesen, um über die noch strittigen Punkte zu verhandeln. Umstritten ist noch die Freigabe der Erdölpreise in Rußland, die vom IWF gefordert wird.

Am Mittwoch darf Boris Jelzin vor beiden Kammern des Kongresses sprechen — eine Ehre, die dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow nicht zuteil wurde. Boris Jelzin wiederum wird den demokratischen Herausforderer Bushs bei den Präsidentschaftswahlen, Bill Clinton, am Donnerstag treffen. Im Anschluß würden sie eine gemeinsame Erklärung abgeben, sagte Clinton.

Nach seinem Eintreffen im Gästehaus der amerikanischen Regierung telefonierte Jelzin zuerst mit dem russischen Dissidenten Alexander Solschenizyn, der im amerikanischen Exil lebt. Wie ein Sprecher Jelzins mitteilte, bat er ihn, wieder in seine Heimat zurückzukehren. Er sei ein „großer Sohn Rußlands“ und habe selbst in den dunkelsten Tagen der Unterdrückung immer die Wahrheit gesagt.

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