: Große Koalition unsicher
Berliner Bankenkrise: SPD-Landesfraktionschef Klaus Wowereit zeigt sich skeptisch über Zukunft von Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Absturz in Wählergunst
BERLIN ap/afp/ddp ■ Einen Tag nach der Regierungserklärung des Berliner Regierenden Bürgermeisters Eberhard Diepgen zur Bankenkrise hat der Koalitionspartner SPD erneut Zweifel an dessen Amtsführung geäußert. Fraktionsvorsitzender Klaus Wowereit sagte gestern, für seine Partei sei noch offen, wie weit der CDU-Politiker weiterhin tragbar sei. Der Berliner FDP-Vorsitzende Günter Rexrodt nannte den 23. September als Datum für eine Neuwahl, die die FDP mit Grünen und PDS per Volksabstimmung erzwingen wollen.
Wowereit sagte, die Regierungserklärung habe ihn enttäuscht, weil sich Diepgen nicht von einem der Hauptverantwortlichen für die Bankenkrise distanziert habe. Er nannte den abgelösten CDU-Fraktionsvorsitzenden und Bankenvorstand Klaus Landowsky. Jetzt gehe es für die SPD um die Frage: „Ist die Regierung unter Eberhard Diepgen in der Lage, zukunftsorientierte Aufgaben wahrzunehmen? Und da habe ich meine Zweifel, ob Eberhard Diepgen das noch packt.“ Dieser könne seine Zukunftsfähigkeit aber mit Ehrlichkeit beweisen. Er müsse den Bürgern sagen, dass sie die Zechen bezahlen müssten.
Von einem möglichen Ende der Koalition in Folge von Forderungen der SPD sprach auch Diepgen selbst. Wenn gespart werden solle in Bereichen, wo der Staat, wie bei der Verbrechensbekämpfung und bei der Justiz, eine Verpflichtung habe, dann „sehe ich die Sollbruchstelle auch“, so der CDU-Politiker.
Diepgen selbst forderte die Senatoren auf, bis Dienstag konkrete Sparmaßnahmen vorzulegen. Nur so könne am Tag darauf der Koalitionsausschuss Beschlüsse fassen. Zudem schloss er weitere Konsequenzen für Landowsky nicht mehr aus.
Die Finanzkrise Berlins lässt Diepgen in der Wählergunst abstürzen. Nur noch jeder dritte Berliner wünscht ihn sich als Regierungschef. Noch vor einem halben Jahr hielt ihn mehr als die Hälfte der Berliner für den populärsten Politiker. Nun ist ihm nach einer Emnid-Umfrage der PDS-Politiker Gregor Gysi mit 23 Prozent dicht auf den Fersen. SPD-Fraktionschef Wowereit kommt auf sieben Prozent.
Immerhin 58 Prozent der Berliner sprechen sich wegen des Bankenskandals für vorgezogene Neuwahlen aus. Während PDS, Grüne, und FDP dafür ein breites Bündnis schmieden wollen, wies DGB-Landeschef Dieter Scholz das Vorhaben zurück. CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt sprach von einer „Stunde der politischen Trittbrettfahrer, die sich einen politischen Zugewinn erhofften“.
Unterdessen werden Stimmen laut, der Bund soll die Hauptstadt finanziell stärken. Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) meinte, letztlich werde der Bund gefragt sein, Berlins Finanzkrise zu lösen. Er sagte dem Magazin Focus, allerdings werde der sich dann an den anderen Bundesländern schadlos halten. Typische Hauptstadtaufgaben in repräsentativer, sicherheitspolitischer und kultureller Hinsicht müsse die Bundesregierung finanzieren. Er habe kein Verständnis, dass Berlin beispielsweise die Hälfte des Ausbaus der Museumsinsel tragen solle.
Der Aufsichtsrat der Bankgesellschaft Berlin trat zusammen, um sich über die Ergebnisse der Sonderprüfungen durch die Bankenaufsicht informieren zu lassen. Diese hatten die Notwendigkeit einer Kapitalaufstockung um vier Milliarden Mark ergeben. Dies schlägt sich auf den Landeshaushalt mit einer kurzfristigen Ausweitung der Nettoneuverschuldung um sechs Milliarden Mark nieder.
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