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Archiv-Artikel

Große Koalition und doch kaum Konsens

Die Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“ präsentiert nach einem Jahr Sanierungsvorschläge für Berlins Haushalt. Im Kern lauten sie: sparen, privatisieren, umbauen. Wie und wo, da sind die Fraktionen weiter uneins

Der Name der Enquetekommission will nicht recht passen zum Parteien-Hickhack, das ihre Arbeit geprägt hat. Statt einer einzigen „Zukunft für Berlin“ haben ihre Mitglieder mindestens fünf verschiedene Zukunftsvisionen für die Hauptstadt – für jede Abgeordnetenhausfraktion eine. Gestern wurde vorab der wichtigste Teil des Abschlussberichts bekannt – der für Haushalt und Finanzen. Und auch jetzt hält der Streit über den richtigen Weg Berlins aus der Schuldenfalle an.

Der Bericht kritisiert, bis heute gebe es keine „zielführende, akzeptable Prioritätensetzung“ in der Berliner Haushaltspolitik. Zwar konsolidiere der Senat seit Jahren den Landesetat, doch müsse das Wirtschaftswachstum massiv gestärkt werden. Die öffentlichen Investitionen seien viel zu gering, Gelder für Kitas, Schulen und Bildungsmaßnahmen müssten Priorität haben. Alle Sanierungsbestrebungen könne Berlin aber vergessen, wenn es die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verliert: In diesem Fall könne das Land seine „verfassungsmäßigen Aufgaben nicht mehr erfüllen“, auch eine Fusion mit Brandenburg sei dann nicht mehr vorstellbar.

Die „Leitlinien für die Sanierung des Haushalts“ sehen eine Senkung der Personalkosten um 1,2 Milliarden Euro vor, etwa durch die Umverteilung von Senatsangestellten und -beamten. Die gesamte Verwaltung soll durch den Verzicht auf „Doppelarbeit von Senats- und Bezirksverwaltungen“ schlanker werden.

Doch bei genauem Hinsehen ist es schnell vorbei mit den überparteilichen Gemeinsamkeiten. CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer nutzt eine Formulierung, die auch von den vier anderen Fraktionen stammen könnte: „Die bekannt gewordenen Teile des vertraulichen Abschlussberichts lassen erkennen, dass sich die Arbeit der Kommission ausgezahlt hat. Allerdings ist weder einvernehmlich noch abschließend über alle Punkte beraten worden.“

Nach wie vor streiten die verschiedenen Lager über die Privatisierung landeseigener Unternehmen. Der PDS-Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich gibt sich daher ernüchtert: „Die ganz großen Überraschungen hat es nicht gegeben.“ Die PDS befürworte zwar den Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, bleibe aber auch künftig gegen die Privatisierung der Verkehrsbetriebe BVG, der Stadtreinigung BSR und des Klinik-Konzerns Vivantes.

Privatisierungsbefürworter Joachim Eßer von den Grünen sieht die Koalition jetzt in der Pflicht. Schließlich hätten auch sie einheitlichen Sanierungskriterien zugestimmt: „Wir haben hier einen Haushaltsplan formuliert, der sich an bundesdurchschnittlichen Ausgaben orientiert.“ Genauso klar sei jetzt definiert, welche Haushaltspositionen als Investitionen bezeichnet werden. Auch der FDP-Abgeordnete Volker Thiel versucht, den mühsam erzielten Kompromissen etwas Positives abzuringen: „Wir haben hier einen Minimalkonsens, den niemand mehr auflösen kann.“ MATTHIAS LOHRE