GASTKOMMENTAR: Große Chance
■ Lettische Volksfront für die Perestroika
Soll der angestrebte gesellschaftliche Umbau der UdSSR nicht an den betroffenen Menschen scheitern, müssen die Reformer die inneren Ressourcen der Sowjetbürger mobilisieren, die Bereitschaft wecken, endlich der Perestroika von unten auf die Beine zu helfen. Wo sich aber bislang ganze Völker – wie etwa im baltischen Ländern – kaum mit ihrem Staat indentifizierten, ihn kaum als ihr Zuhause betrachteten und sich selber als rechtlose Minderheit im eigenen Land empfanden, da konnte es um diese Mobilisierung nur schlecht bestellt sein. Da mußte die bisherige Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion Sand im Getriebe bleiben. Der am Wochenende durchgeführte Gründungskongreß der „Volksfront zur Unterstützung der Perestroika“ bedeutet zumindest für diese Region einen Neubeginn.
Die Plattform hat wesentliche Forderungen der oppositionellen Strömungen in Lettland aufgenommen. Da werden die weitgehende Souveränität der Republik im Staatsverband der Sowjetunion verlangt, für ökonomische Reformen und Autonomie geworben, für eine ökologisch vertretbare Industrie und für mehr Rechtsstaatlichkeit, Bürgerrechte und Demokratie gekämpft. Und nicht zuletzt soll ein verträgliches Miteinander der verschiedenen Nationalitäten garantiert werden.
Wichtig ist: Die Volksfront eröffnet Kräften außerhalb der Partei – Umweltschützern wie kirchlichen Kreisen oder engagierten Bürgern – die Möglichkeit, bei den Reformen mitzuwirken. Und das ist nicht zuletzt im Interesse der Perestroika für die gesamte Sowjetunion.
Ojars Rozitis
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