: Grog vom Huhn
■ Das Wunder der „blonden Kathrein“: Bei Wilhelm hinterm Eiderdeich gibt's den besten Eiergrog Von Heike Wells
Wie geheim kann ein Geheimtip auf Dauer bleiben? Als Geheimtip kann Wilhelm Andresens Schankwirtschaft zwar insofern gelten, als zufällig Durchreisende sich selten hierher direkt hinter den alten Eiderdeich verirren. Und doch ist sie über den Geheimtip längst hinaus, weil der Kreis der Stammgäste – Einheimische ebenso wie Urlauber – stetig wächst. Und die schwören, daß es bei Wilhelm in Katingsiel bei Tönning (Kreis Nordfriesland) den besten Eiergrog an der Nordseeküste gibt.
Das war schon so in der Zeit, als Wilhelms Mutter – 64 Jahre lang übrigens – die 1668 erbaute Schankwirtschaft unterm Reetdach betrieb. Damals noch mit nur einer Gaststube, die bis unter die Decke mit historischen Delfter Kacheln geschmückt ist. Stammgäste erinnern sich, wie die Wirtin tagein, tagaus klöppelnd auf dem Sofa saß. Die Räume, die zu Wilhelms Kinderzeiten als Wohnzimmer der Familie und als gute Stube fungierten, öffnete er zusätzlich für die Gäste, als er 1991 selbst Gastwirt wurde. Blümchentapeten, dunkle Holztische, gemütliche Sofas, Familienbilder an den Wänden und abgetretene Holzdielen vermitteln den Charme von Omas Stube.
Und wie in Omas Stube geht es hier auch zu. Wilhelm Andresen serviert nicht einfach Getränke, hausgemachten Kuchen oder Schinkenbrote, sondern er hockt sich mal an diesen, mal an jenen Tisch. Stammgäste begrüßt er mit Namen. Die ihm noch fremd sind, lernt er eben kennen. „Kumm rin un platz di doll“, heißt sein liebster Begrüßungsspruch – das förmliche „Sie“ ist hier ein Fremdwort. Eines allerdings macht den sonst verträglichen Wirt gnaddelig: Wenn jemand „im Eiergrog herumstochert“. Denn in der sensiblen Mischung „darf man nur unten ganz vorsichtig rühren“.
Dieser Eiergrog wird unverändert nach der Rezeptur der „blonden Kathrein“ zubereitet. Das war Wilhelms Mutter, und in einer Frage hält es Wilhelm wie sie: Das Rezept rückt der 64jährige nicht heraus, nicht einmal die Zutaten. Herausschmecken kann man Eigelb, Zucker und etwas Hochprozentiges. Ganz geheimnisvoll verrät Wilhelm Andresen nur noch eines: „Das Rezept ist gar nicht so wichtig, es kommt auf die Handhabung an.“
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