: Grenzenlose Steuerfreiheit
■ Bremer Hobbyflieger wollen keine elitäre Truppe sein / Auch Landesregierung subventioniert Privatpiloten / Lärmschutzbeauftragter als Ausbildungsleiter
Eigentlich hätten sie doch zufrieden sein können: Werner Redeker, Vize-Präsident des Deutschen Aero Club und Heinrich Wemmel, Vorsitzender des Bremer Vereins für Luftfahrt. Aber statt sich über den Erlaß der Mineralölsteuer für Hobbyflieger zu freuen, den der Bundestag gestern in Bonn beschloß, stehen sie wenige Stunden vor der Entscheidung auf dem Neuenlander Feld vor einer weiß-blauen Cesna und schimpfen laut vor sich hin.
Gerade hat Wemmel seine „Skylane II“ mit 200 Liter Flugbenzin auftanken lassen. 314,20 Mark kostet ihn der Sprit derzeit noch. Etwa hundert Mark weniger wird er zukünftig zahlen müssen, um 800 Kilometer weit zu fliegen. Warum also schimpfen? Die Flieger sind erbost, daß sie am Schluß einer langen Debatte als Symbol für die Ungerechtigkeit der Steuerreform herhalten sollea1981 führte die sozialliberale Bundesregierung die Flugbenzinsteuer für den „nicht-ge
werblichen“ Flugverkehr ein. Seitdem zahlen die Nutzer der etwa 5.000 Kleinmaschinen rund 15 Millionen Mark in die Bundeskasse. Nachdem Franz Josef Strauß ultimativ mitteilte, die Steurreform werde nur dann eine Mehrheit bekommen, wenn seine Fliegerkameraden entlastet würden und gleichzeitg bekannt wurde, daß die Mineralölsteuer für Autos um 12 Pfennig pro Liter erhöht wird, hat Werner Redeker ein Riesenverständnis, „daß sich Tante Emma und Onkel Otto aufregen.“
Trotzdem: Die Flugbenzinsteuer ist für ihn eine „Unrechtssteuer“, und wenn man das in der Öffentlichkeit erklärt hätte, dann, so glaubt er, wäre das Verständnis viel größer gewesen. Die Benzinsteuer für Autos, so seine Argumentation, sei schließlich als zweckgebundene Steuer für den Straßenbau konzipiert. Und Flugzeuge brauchen keine Straßen. Die brauchen eine Landebahn und dafür müssen Bremens Sportpilo
ten separat bezahlen: 33 Mark pro Landung.
Ein besonderes Ärgenis ist für Redeker, daß sich niemand darüber aufregt, daß die Linien-und Chartermaschinen keinen Pfennig für das Benzin an den Staat überweisen müssen. Und die Großflieger verbrauchen immerhin 99 Prozent des von der Luftfahrt benötigten Benzins. Und auch das Argument, mit dem Steuererlaß würden vor allem die Geschäftsflieger entlastet, läßt er nicht gelten. Die könnten die Steuer sowieso bei den Betriebskosten wieder absetzen. Redeker muß wissen, wovon er redet: Schließlich ist er selbst des öfteren geschäftlich über den Wolken unterwegs.
Bleiben die Sportflieger. 500 Mitglieder hat der BVfL; aktiv sind wesentlich weniger. Ein High-Society-Sport ist die Fliegerei nicht, glaubt man Redeker. Studenten, Lagerarbeiter, Hausfrauen, aber auch Millionäre lassen sich für etwa 10.000 Mark zu
Hobbypiloten ausbilden, um sich dann mindestens zwölf Mal im Jahr in die Wolken zu erheben. 160 Mark kostet das Vergnügen für den einstündigen Flug. Bisweilen zahlt ein Geschäftsmann, der sich mal schnell zu irgeneiner Verhandlung bringen läßt.
Insgesamt also kein allzu teures Vergnügen, zumal sich auch Bremens Sportsenator nicht lumpen läßt: Mit 30.000 Mark subventionierte er den Flugbetrieb 1987. In diesem Jahr werden für Neuanschaffungen noch einmal 15.000 Mark obendrauf gepackt. Und auch sonst können die Privatflieger über schlechte Beziehungen nicht klagen: Der Lärmschutzbeauftragte der Bremer Landesregierung, Daglev Schriefer, ist Vereinsmitglied und Chefausbilder.
Bei soviel Zuspruch und Anteilnahme werden sich Bremens Piloten bald wieder unbeschwert in den steuerfreien Lüften über den „schmerzhaften Imageverlust“ hinwegtrösten.
hbk
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