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Grauenvoller Motorenlärm

betr.: „Zukunft des Nahverkehrs“, taz vom 6. 4. 02

Hier werden Unerfreulichkeiten, die das urbane Leben in dieser Preislage seit Jahrhunderten mit sich bringt, zu Riesenproblemen aufgeblasen, während die eigentlichen Ungeheuerlichkeiten unerwähnt bleiben. Dass nämlich der ins Monströse gewucherte Automoloch die Stadt in eine Lärm- und Giftgashölle verwandelt hat, wo es eigentlich nur eins gibt: nichts wie raus. Und das machen die Autofahrer, vor den Folgen ihrer eigenen Turbo-Pathologie fliehend, denn auch. Immer mehr ziehen ins „grüne Umland“, um die Stadt dann umso ungehemmter und hämischer zu Arbeit, Einkauf und Kinobesuch mit ihren PS-Monstern heimzusuchen.

„Pöbeleien und Bedrohungen, aber auch unerwünschte Musikdarbietungen und Straßenzeitungsverkäufer mit der immer gleichen Leier muss man im Auto nicht ertragen“, stellt der Autor fest. Was ihn dabei aber mitnichten interessiert: Welche vitalen Bedrohungen und akustischen Darbietungen mutet der so in seinen motoristischen Egozentrismus verpanzerte Autofahrer seinen Mitbürgern, vor allem Kindern und Senioren, zu?

„Der spezielle Charme des BVG-Personals“ wirkt gegen das rüde Lärmen, Rasen und Gasen der Motoristen geradezu vornehm. Und selbst ganze Hundertschaften „schlecht geduschter Arbeitspendler“ verursachen weder Lungenkrebs noch eine Vergrößerung des Ozonlochs. Im Gegenteil: Sie haben kostbares Wasser gespart. Wohingegen sogar der bestgeduschte Autofahrer, der auch seinen Schlitten dreimal täglich in die Autowäsche kutschiert und hunderte Liter Wasser verpulvert, eines nicht verhindern kann: dass er stinkt wie die Pest.

Die beklagte Verwahrlosung des öffentlichen Raums geht vor allem vom motorisierten Individualverkehr aus und greift durch seine gnadenlose Demonstration von Rücksichtslosigkeit und Gewalt auf alle Stadtbewohner über. Wenn jede Kommunikation im Dröhnen der Motoren versinkt, bleibt für freundliche Gefühle kein Platz. Augen zu und durch, lautet das Motto für jeden, der aus der Haustür tritt. Und wohl dem, der einen Walkman sein Eigen nennt, damit er sich wenigstens ein bisschen vor dem grauenvollen Motorenlärm abschirmen kann. […] FABIAN TWEDER

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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