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"Grand Theft Auto" für NintendoDie tragbare Mafia

Mit "Chinatown Wars" ist das erste Mal ein Spiel der umstrittenen "GTA"-Spielereihe auf Nintendos kinderfreundlichem DS erschienen. Geht das gut?

Eigentlich ist die Konsole eher für niedliche Kinderspiele gedacht. Bild: ap

Wenn es eine Spieleserie gibt, die in den letzten fünf Jahren konstant für Erregung bei Jugendschützern sorgt, dann ist es die immer perfekt inszenierte "Grand Theft Auto"-Reihe ("GTA") des Herstellers Rockstar: Der User übernimmt in jedem Teil stets die Rolle eines Gangsters aus einem neuen ethnischen Umfeld und muss sich durch eine feindliche Umwelt nach vorne kämpfen. Gespickt sind diese interaktiven Action-Abenteuer für Erwachsene jedes Mal mit einer guten Prise sarkastischer Gesellschaftskritik, so dass selbst anspruchsvolle Blätter wie die "New York Times" die GTA-Games regelmäßig überschwänglich loben - trotz der in den Spielen zweifellos enthaltenen Gewalt, die rein gar nichts für Kinder ist.

Angeboten wurden die Titel dabei stets für Konsolen, die allgemein als eher von Erwachsenen bevorzugt gelten: Sonys PS2 und PS3 sowie die tragbare High-End-Konsole PSP, aber auch Microsofts Xbox und Xbox 360. Nintendos Geräteauswahl, die mit den aktuellen Angeboten Wii (stationär) und DS (mobil) als besonders familienfreundlich gilt, blieb dabei stets außen vor. GTA und der japanische Mutterkonzern von "Super Mario", so schien es, das passte irgendwie nicht zusammen. Doch das ändert sich nun: Mit "Chinatown Wars" ist der erste Titel der GTA-Reihe erschienen, der explizit auf Nintendo-Geräte abgestimmt ist, in diesem Fall ausgerechnet die in vielen Kinderzimmern befindliche Handheld-Konsole DS.

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen: Das Spiel ist natürlich nur für Erwachsene erhältlich, prangt doch direkt auf der Vorderseite der Hülle der dicke rote "Keine Jugendfreigabe"-Sticker der freiwilligen Selbstkontrolle USK. So wird auch niemand, der nur ansatzweise unerwachsen ausschaut, ohne Vorzeigen seines Ausweises an den Titel gelangen - sofern die Besatzung hiesiger Media- und sonstiger Elektrofachmärkte ihren Job nur halbwegs korrekt ausführt.

Wer das Mindestalter aufweist und das Game erwerben darf, den erwartet in "Chinatown Wars" der Ausflug zu den chinesischen Triaden von Liberty City, das in der GTA-Welt stets als New York-Äquivalent dient. Hauptdarsteller Huang Lee wollte eigentlich ganz friedlich ein Artefakt bei seinem Onkel abgeben, nachdem er kürzlich eine Familientragödie - den Mord an seinem Vater - überstehen musste. Doch wie das im GTA-Stil so ist, geht das natürlich völlig daneben, stattdessen warten Gangster auf ihn. Von diesem Moment an muss sich Huang voll ins Getümmel rund um den Mafiakrieg in Liberty City stürzen, kriminelle Aufträge für seinen Onkel erfüllen, der Polizei ausweichen, Drogen dealen (!), Gebäude aufbrechen und diverse andere Dinge tun, die im echten Leben völlig verboten wären. Daneben sorgt die Hauptmission dafür, dass Huang mehr über sich und seine Vergangenheit erfährt und schließlich zum Mega-Mafioso wird.

Die Umsetzung der GTA-Elemente ist dabei für die geringe Power der DS-Konsole erstaunlich gut gelungen: In einer Art Hubschrauberperspektive sieht man sein (natürlich zumeist geklautes) Fahrzeug, Liberty City ist erstaunlich groß und die besonderen Eigenschaften des Geräts, namentlich der berührungsempfindliche Bildschirm, werden gut eingesetzt, etwa für "Puzzlespiele" wie das Anlassen von Fahrzeugen ohne Schlüssel. "Chinatown Wars" wirkt dabei etwas comicartiger als seine Brüder auf den großen Konsolen. Gewalt, Explosionen und Blut sind aber auch hier vertreten, so dass man das Game keinesfalls in die Nähe von Kindern bringen sollte. Selbst Multimedia-Elemente der anderen GTA-Titel wie verschiedene Radiosender beim Fahren (wenn auch vor allem mit Instrumentalmusik)wurden beibehalten. Die Spieltiefe ist groß. Nervig ist höchstens, dass auf Sprachausgabe verzichtet wurde und die Zwischenszenen allein in Comic-Form mit Text realisiert wurden statt mit schicken Videos. Daran ist aber allein Nintendos verhältnismäßig schwachbrüstige Hardware Schuld.

Und um zum Schluss noch einmal auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Passen GTA-Games und die "junge" Konsole DS zusammen? In Sachen Spielqualität durchaus, Rockstar holt bei "Chinatown Wars" alles aus dem Gerät alles heraus. Verkaufstechnisch allerdings offenbar nicht. Laut jüngsten Umsatzzahlen setzte der Hersteller zwischen Ende März und letzter Woche weltweit rund 100.000 Einheiten ab. Das mag vielleicht zunächst nach viel klingen, hat mit den anderen Millionensellern der GTA-Reihe aber wenig zu tun.

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5 Kommentare

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  • R
    reflexo

    @birgit,

    bei aller liebe zum kind, der frau, der gleichberechtigung etc. pp. ist das schwingen der verbotskeule allemal gefährlicher für eine freie gesellschaft. solange niemand Ihr kind zwingt, das objekt des anstosses zu hören/sehen/spielen, ist nichts verloren - weiter unten in den kommentaren war von 'verantwortungsvollen eltern' die rede, und eben deren aufgabe ist es, die kinder zu einer differenzierten & objektiven auffasung der welt (und allem müll, den es dort ja auch gibt) zu erziehen/heranzuführen.

    r.

  • B
    Birgit

    "Gewalt, Explosionen und Blut sind aber auch hier vertreten, so dass man das Game keinesfalls in die Nähe von Kindern bringen sollte."

     

    Derartige PC-Spiele dürfte es überhaupt nicht geben, sollten vielmehr bekämpft werden, da es sich um Gewaltverherrlichung handelt. Wenn die Tagesschau und das heute-journal solche Formen der "Freizeitgestaltung" kritisieren, wieso sollte das reaktionär sein? Solchen "Spiele"herstellern gehört das Handwerk gelegt, sie haben nicht das Recht die Gesellschaft zu vergiften.

     

    An anderer Stelle ist von Bushido und Sido und ihren "harten Texten "die Rede. Frauenverachtender Müll ist das.

  • NB
    Nico Bellic

    oh mein gott! ich wollte schon garnicht mehr bis zu ende lesen... konsolen kann man doch nicht irgendwelchen altersstufen zuordnen! die inkompetente statistik macht das vielleicht, aber bestimmt nicht die marketing-abteilung der hersteller!!! ich glaube nicht, dass ein sechsjähriger "Dr. Kawashimas Gehirn Jogging" auf der DS spielt, geschweige denn ein 20- bis 30-jähriger "Viva Pinata" auf der Xbox360!

     

    Rockstar hat hier ganz deutlich die muskeln spielen lassen, kein anderer entwickler traut sich so etwas zu, verkaufszahlen hin oder her.

  • P
    Paul

    Wieviel habt ihr denn für eure nette Schleichwerbung bekommen?

  • T
    Torben

    "Gewalt, Explosionen und Blut sind aber auch hier vertreten, so dass man das Game keinesfalls in die Nähe von Kindern bringen sollte."

     

    Oh weh,keinesfalls auch nur in die Nähe, da sterben Pixelmännchen. Klingt wie ein Zitat aus Mama von der Leyens Schauermärchen. Natürlich sollten Eltern ihren Kindern nicht unbedacht Zugang zu solchen Spielen gewähren, aber es ist nun auch nicht so, dass jede Kinderseele gleich unwiderbringlich zerstört würde.

     

    Verantwortungsvolle Eltern wissen sehr gut einzuschätzen, auf welchem Entwicklungsstand sich ihr Kind befindet, was es dürfen soll und was ihm noch nicht zugemutet werden darf. Eine Gesellschaft freier und mündiger Bürger sollte diese Verantwortung tunlichst bei den Eltern belassen, es besteht kein Grund reaktionäre Pauschalantworten auch noch in der taz abzudrucken, für sowas gibt es Tagesschau und Heute-Journal. ;-)