Gräber für Hunde und Katzen: Tierischer Aufwand für die letzte Ruhe
Auf einem Friedhof in Steglitz lassen Berliner ihre Haustiere bestatten. Fast 300 Hunde, Katzen, Mäuse und Vögel liegen bereits auf dem Gelände. Lichter brennen rund um die Uhr. Auf dem benachbarten Menschenfriedhof sieht es trister aus.
Der kleine Friedhof liegt hinter Maschendrahtzaun. Unter kahlen Ahornbäumen und buschigen Kiefern reiht sich ein Grab an das nächste. Raureif bedeckt Rosensträuße, Heide und Tannengrün. In der Mitte der dritten Reihe steht ein alter Mann, den Kopf auf die Brust gesenkt. Die Hände zum Gebet gefaltet. Sein Blick ist auf drei flackernde Grablichter gerichtet. Friedhofsbetreiber Richard Mitschke hält sich abseits. "Sein Hund ist erst vor kurzem gestorben."
Auf dem "Bärliner Tierfriedhof" an der Bismarckstraße in Steglitz können Menschen ihre Haustiere bestatten. Fast 300 sind auf den 2.800 Quadratmetern begraben, darunter Katze Kessi, Terrier Popeye, Maus Django. Im April 2007 haben Karin und Richard Mitschke den Tierfriedhof eröffnet. In direkter Nachbarschaft zum Friedhof Steglitz. "Die meisten Tiergräber sind besser gepflegt als Menschengräber", sagt Mitschke. Der 64-Jährige weiß, wovon er spricht. Der Gartenbauingenieur war bis vor sieben Jahren Friedhofsverwalter in Schöneberg. "Da habe ich viele Gräber verwahrlosen sehen", sagt der Mann mit großer Goldrandbrille im blassen Gesicht. Er sitzt in der kleinen Holzhütte auf dem Friedhof auf einem Klappstuhl. Hinter ihm an der Wand hängen Bilder aus einem Tierkalender. Ein Fuchs, daneben ein Entenküken und ein Hamster. Auf dem Boden stehen drei Holzsärge, auf den Deckeln rote Grablichter.
Dekoriert hat Karin Mitschke. Ob auch ein Fuchs draußen liegt? "Nee, das war nur ein schönes Bild", sagt sie. Mit einer weißen Strickmütze über den blondgefärbten Haaren sitzt sie vor den Ausstellungssärgen. Während ihr Mann erzählt, guckt sie aus dem Fenster, vorbei an den gelben Synthetikvorhängen. Sie kennt seine Geschichten von den Problemen eines Friedhofsverwalters, den Dummheiten der Behörden, Friedrich dem Großen.
Eine lange Tradition
Der Alte Fritz liebte Haustiere nämlich auch, sagt Mitschke. Genau wie seine Kunden. Bestatten ließ der preußische König seine Windhunde in einer Gruft auf der Terrasse von Schloss Sanssouci. Und auch Richard Wagner begrub seinen Neufundländer im Garten der Villa in Bayreuth, weiß der Verwalter. Oder die alten Ägypter, die haben ihre Katzen mit ins Grab genommen. Tierbestattungen haben also Tradition - davon sind Mitschkes überzeugt.
Andere finden das Phänomen bedenklich. "Wenn Tiergräber besser gepflegt sind als Menschengräber, dann muss man sich doch Gedanken um unsere Gesellschaft machen", sagt Gabriele Steckmeister, Professorin für Sozialwissenschaft am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität. Sie wittert hinter dem Trend vor allem Geldmacherei. "Für die einen wird das Tier zum Ersatz für menschliche Kontakte. Die anderen schlagen daraus Profit", glaubt sie.
Auf dem "Bärliner Tierfriedhof" in Steglitz geht es auch um Geld, da wird kein Hehl draus gemacht. Auf einer großen Tafel neben dem Eingang stehen die Preise, gestaffelt je nach Tiergröße. Bei einem Gewicht von bis zu einem Kilo kostet die Einäscherung 161,60 Euro, ab 75 Kilo 295,95 Euro. Urnen gibt es als blau-grüne Sterne oder als Kisten mit Sonnenblumen-Muster. Richtige Gräber sind teurer, sie kosten zwischen 160 und 475 Euro. Der Grabschmuck muss zusätzlich bezahlt werden.
Die Tierbesitzer auf dem Bärliner Tierfriedhof geizen nicht. "Bei uns geben sich alle Mühe", erzählt Karin Mitschke. Auch sie selbst: In der kleinen Holzhütte hat sie eine Trauerecke eingerichtet. Der Leichentisch ist mit einer grünmelierten Wachsdecke bedeckt. Die Tonvase hat Karin Mitschke mit Lilien und Dahlien aus Plastik bestückt. "Kerzen zünden wir auch immer an", sagt sie. "Unsere Kunden sollen es schließlich schön haben."
Für Irene und Manfred Buchwald ist der Friedhof ein Ort der Erinnerung. Ihr Foxterrier Pino ist vor einem Dreivierteljahr gestorben, an Ostern. "Er hatte Krebs", erzählt Manfred Buchwald. "Der ist innerlich explodiert."
Auf dem Tierfriedhof hat das Ehepaar seinen Liebling beerdigen lassen, in Reihe zwölf. Die familiäre Atmosphäre, die gepflegte Anlage, der akkurate Plattenweg, all das gefällt ihnen. Zwei- bis dreimal in der Woche besuchen der ehemalige Busfahrer und seine Frau das Grab.
Ein Holzkreuz steht darauf. Darin eingelassen ist ein Foto des weißen Terriers. Eine Kerze zwischen der lilafarbenen Heide und einem gelben Rosenstrauß brennt rund um die Uhr. Ein Stoff-Dalmatiner ziert die Stätte. Daneben liegt ein faustgroßer, bunt gestreifter Quietsche-Gummi-Reifen. "Diese Quak-quak-Dinger hat unser Pino geliebt", sagt Buchwald.
Kinder haben sie nicht, erzählen die Buchwalds. "Pino war unser Kind." Dass sie ihn begraben lassen, war für sie selbstverständlich. "Das war ein Geheule bei der Beerdigung", erzählt Buchwald. "Als wir uns von unserem Liebling verabschieden mussten." Noch heute schießen der 62-Jährigen die Tränen in die Augen. Der türkisfarbene Lidschatten verschwimmt. "Pino war unsere große Liebe", sagt sie. "Da leidet man noch Monate später."
Seit einigen Wochen hat das Ehepaar einen neuen Liebling, den Jack-Russell-Terrier Calvin. Sie haben ihn mitgenommen auf den Friedhof, in einem selbst gestrickten wollweißen Anzug. Ersetzen werde er ihnen Pino nicht, sagt das Paar. Aber helfen, die Trauer zu überwinden.
Das wollte auch Richard Mitschke, als er 1996 die Idee zu einem Tierfriedhof hatte. "Immer mehr Flächen auf den Friedhöfen verwaisten", sagt er. "Da musste ich mir als Friedhofsverwalter Gedanken um die Nachnutzung machen." Lange habe er als Hundebesitzer nicht überlegt. "Wo soll man denn mit seinem Liebling hin, wenn man keinen Garten hat?" Tiere beisetzen statt Menschen - die Idee scheint ein Erfolg zu sein.
Das war nicht immer so: Mitschkes erster Versuch scheiterte "an den Behörden", wie er sagt. 2003 eröffnete er dann den Tierfriedhof Tempelhof. "Das war ein Riesenerfolg", erinnert er sich. "Wir wurden schnell in der ganzen Stadt bekannt." Doch schon nach einem Jahr kam für Mitschke das Aus. "Es gab Probleme mit meinem damaligen Partner." Der Friedhofsbetreiber zog aus. Und realisierte seinen Traum ohne Partner noch einmal. In Steglitz.
Stofftiere und Engel
Seit mehr als einem Jahr liegt dort Mohrchen, in Reihe fünf, neben Bobo und sieben Reihen vor Pino. Regina und Manfred Beyer haben ihre Katze umbetten lassen. Von Tempelhof nach Steglitz. "So können wir jeden Tag zu Fuß zu unserer Süßen kommen", erklärt Regina Beyer. 14 Jahre lebten sie gemeinsam in der Steglitzer Wohnung, die redsame Cutterin, der schweigsame Synchronsprecher und das schwarze Mohrchen. Dann erlitt die Katze eine Embolie und wurde eingeschläfert.
In den Müll sollte sie nicht. "Dafür war sie einfach zu dankbar", sagt Regina Beyer. "Ein Grab war das Mindeste, was wir noch für sie tun konnten." Geschmückt ist der Ort mit Tannengrün, Heidesträuchern und einem 30 Zentimeter großen Engel. Auf einer dunklen Holztafel steht in geschwungenen Lettern "Unser Mohrchen". Ein ganz ruhiges Grab hätten sie gewollt, berichtet Regina Beyer. "Nicht so was Überkandideltes."
Auf dem Tierfriedhof gibt es auch das: Gräber vollgestellt mit Keramikengeln, Plastiklichtern, Stofftieren und anderen Spielzeugen. Auf Bobbys Grab steht: "Die Welt hat ihr liebstes Geschöpf verloren" - die Schrift ist eingraviert in schwarzen Marmor. Der Stein wird bewacht von einem kniehohen Engel. Asta hat einen Herzgrabstein bekommen - mit Foto und Pfotenabdruck. Und überall leuchten die Kerzen - auf vielen Grabstätten rund um die Uhr.
Hinter dem Maschendrahtzaun, auf dem Menschenfriedhof, ist es trister. Nur vereinzelt brennen Kerzen auf den Gräbern. Eine Krähe sitzt auf dem Rasen. Für Pino oder Mohrchen wäre hier kein Platz. Haustiere haben keinen Zutritt.
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