■ Press-Schlag: Gottgewollter Nacken
Es gibt ihn also doch, den berühmten Unterschied zwischen Frauen und Männern. Lange Zeit hegte sich vielerorts reger Widerstand gegen diese These, spalteten sich sowohl Soziologen als auch Psychologen in zwei Lager. Doch seit dem vergangenen Wochenende herrscht nun hoffentlich endgültig Klarheit. Und, oh Wunder. Ausnahmsweise waren es mal nicht Matthäus und Co., die uns um diese lebenswichtige Erkenntnis bereicherten. Sondern die leichtbekleideten Aktiven, die sich im sonnigen Key Biscayne in den vergangenen zwei Wochen die Langeweile mit gelben Filzkugeln vertrieben.
So biß Steffi Graf wie gewohnt heroisch die Zähne zusammen, zwang ihren Rücken trotz chronischer Schmerzen zum Durchhalten und erspielte sich so den 97. Turniersieg ihrer Karriere. Goran Ivanisevic dagegen verlor das Turnier lieber gleich im Schlaf. Als er vor dem großen Finale gegen Andre Agassi erwachte, „konnte ich meinen Kopf kaum bewegen“. Nur auf Betteln der verschreckten Veranstalter ließ sich der Kroate dazu herab, sein Sportgerät zumindest testweise in die Linke zu nehmen. Doch schon nach elf Minuten wollte der Weltranglisten-Sechste sich selbst und die 14.000 Zuschauer nicht länger quälen und legte, statt auf den rettenden Regen zu warten, seinen Schläger zur Seite und überließ dem zur Hilfe geeilten Jim Courier seine Platzhälfte. Doch auch mit Courier durfte sich Agassi nur eine halbe Stunde beschäftigen, dann beendeten dunkle Wolken den Schaukampf. Und während Steffi Graf sich tags zuvor freudig in den Zuneigungen der zahlreichen Betrachter gesuhlt hatte, hätte der verärgerte Agassi seinen 380.000-Dollar- Scheck wohl am liebsten für ein ordentliches Finale eingetauscht. „Ich bin frustriert, das ist kein richtiger Sieg für mich.“ Ein wenig unverständlich ist Agassis Aufregung schon, immerhin konnte er so seine Verlobte Brooke Shields nicht enttäuschen, der er den ersten Sieg dieser Saison zur Verlobung versprochen hatte.
Ivanisevic tat jedenfalls recht daran, sich nicht zu quälen. Denn über den Ausgang entscheidet sowieso ein anderer. „Hätte Gott mich als Turniersieger sehen wollen, wäre ich nicht mit einem steifen Nacken aufgewacht.“ Nina Klöckner
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