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Archiv-Artikel

nebensachen aus manila Gottesdienst im Konsumtempel: Vom heiligen Abendmahl sofort an den Fastfood-Stand

Wenn es um den Glauben geht, verstehen die sonst fröhlichen Filipinos keinen Spaß. Die spanischen Eroberer, die dem südostasiatischen Inselvolk im 16. Jahrhundert den Katholizismus einimpften, haben da ganze Arbeit geleistet. Die Philippinen sind das einzige asiatische Land, in dem der Großteil der Bevölkerung – 81 Prozent – katholischen Glaubens ist. So finden sich Kruzifixe, Mutter-Gottes-Statuen oder Heiligenbilder in Taxis, Arztpraxen und Restaurants. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo, devote Katholikin, fühlt sich gar von Gott ins Amt berufen.

Der Kirchgang ist ein so fester Bestandteil des Lebens, dass sich selbst konservative Bajuwaren eine Scheibe davon abschneiden könnten. So selbstverständlich ist den Filipinos der Besuch eines Gottesdienstes, dass die Messen nicht mehr nur in der Kirche stattfinden. Nur Fremde bleiben noch verwundert stehen, wenn sie in einem der Konsumtempel der Hauptstadt Manila in einen Gottesdienst geraten.

Beispiel Glorietta, eine Shopping Mall in Manilas Geschäftsviertel Makati. Es ist Mittwochnachmittag, von den umliegenden Büros strömen die Massen zu einem Feierabendbummel in das beliebte Ladenzentrum. Und da, gleich bei Starbucks und Marks&Spencer um die Ecke, hängt Jesus am Kreuz. Dort steht ein Priester und verkündet Gottes Wort. Mehrere hundert Gläubige sind ganz Ohr für den Gottesmann an der mobilen Kanzel.

Ein Einzelfall ist dieser Gottesdienst nicht. Seit den frühen 1990er-Jahren hat die katholische Kirche diese „outlets“. Sie sind so populär, dass kaum ein Ladenzentrum diesen Dienst nicht anbietet. Manche haben eigens „Kapellen“ eingerichtet, die Beichte kann man zwischen Einkauf und Kinobesuch ablegen.

Und wehe dem, der in der unheiligen Allianz von Kommerz und Kirche einen Ausverkauf des Glaubens wittert! Man folge nur dem Glaubensauftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils, kanzelt Monsignore Quitorio, Sprecher der katholischen Bischofskonferenz auf den Philippinen, Nachfragen ab. Damals habe der Papst selbst gefordert, die „Tore der Kirchen zu öffnen und das Wort Gottes auch außerhalb der steinernen Mauern zu predigen“.

Tatsächlich sind die Gottesdienste in den Geschäftszentren reine Lifestyle-Sache. Nichts lieben die Filipinos mehr, als stundenlang in den runtergekühlten Shopping Malls zu flanieren. „Malling“ heißt dieser Volkssport, der besonders gern am Wochenende ausgeübt wird. Und statt in der stickig-heißen Luft einer Kirche Gottes Wort zu lauschen, verbindet man den Kirchgang eben mit dem „Malling“.

Dass manch Gläubiger durch die Auslagen des benachbarten Dessousgeschäfts vom Beten abgelenkt werden könnte, nehmen die sonst strengen Soutanenträger in Kauf. Und dass der Weg für viele vom Abendmahl direkt zum unseligen Fastfood-Imbiss führt – da drückt der liebe Gott sicher ein Auge zu.

Letztlich ist allen gedient: Die Gläubigen können ihr Gewissen beruhigen, der Priester freut sich über die große Gemeinde, der Papst, dass das Zweite Vatikanische Konzil ernst genommen wird, und die Ladenbesitzer über ihren Umsatz. HILJA MÜLLER