: Gottesdienst: geschlossene Gesellschaft
■ Alle Demonstrationen gegen die Einheitsfeiern untersagt / Grüne sagen Teilnahme ab
Da steht er und kann nicht anders: Der streitbare Protestant und Rentner Rudolf Prahm wird seinen Gott am Montag nicht in der von ihm gewählten Kirche preisen dürfen. Denn in St. Ansgarii, wo Prahm am Gottesdienst im Rahmen der Einheitsfeiern teilnehmen wollte, frömmelt die Prominenz aus Bund und deutschen Ländern und belegt die Plätze auf den Kirchenbänken. Für die verbleibenden 300 der insgesamt knapp 800 Plätze im Gotteshaus sind Eintrittskarten ausgegeben worden: jeweils 100 für die Ansgarii-Gemeinde, die übrigen evangelischen Gemeinden Bremens und für die anderen christlichen Gruppen. Nicht aber für Rudolf Prahm.
Auch den Weg zur Kirche schreibt der Staat dem Gläubigen vor. Denn zusammen mit etwa 20 anderen ChristInnen wollte Prahm vom Haus der Kirchlichen Dienste in der Holler Allee zur Ansgarii-Kirche marschieren. Diese „Demonstration freier Kirchgang“ wurde allerdings gestern vom Stadtamt verboten, da es sich um eine „geschlossene Gesellschaft“ handele.( siehe Dokumentation). Das Verbot wurde wenig später vom Verwaltungsgericht bestätigt. Damit sind in Bremen inzwischen alle Demonstrationen verboten worden, die sich in der Innenstadt gegen Art und Inhalt der Einheitsfeiern richten wollten. Am Freitag morgen hatte das Verwaltungsgericht die Verbote gegen die geplanten Demonstrationen vom „Bremer Bündnis gegen die Nationalfeier“ und den „Judos“ bestätigt.
Für Rudolf Prahm ist die Einmischung des Staates in seinen Kirchgang unerträglich. An Kirchensenator Klaus Wedemeier schrieb Prahm: „Es kann nicht die Aufgabe Ihres Innensenators sein, staatlicherseits zu regeln, in welcher Kirche ein Bremer den Tag der Deutschen Einheit begehen will. In meinem Wohnbezirk gibt es viele Leute, die es wie der Bremer Kirchentagspräsident Brauer machen wollen – Verzicht auf Kirchgang, um sich einen demütigenden Slalomlauf durch Polizeigitter zu ersparen. Das ist eine Konsequenz. Die andere ist, Widerstand in einer Demonstration auf die Straße – hier auf den Kirchweg – zu tragen.“ In einem Gespräch beim Stadtamt war Prahm vorgeschlagen worden, den Gottesdienst in St. Martini zu besuchen. „Ich habe da angerufen, aber die haben gesagt, sie haben gar keinen Gottesdienst am Montag.“
Ausgelöst hat einen Teil der Diskussionen in der evangelischen Kirche auch die Erklärung der Präsidenten des Kirchenausschusses, Heinz Hermann Brauer. Der hatte erklärt, im Gegensatz zu seinem Kollegen Ernst Uhl, der die Predigt hält, werde er an den Feierlichkeiten nicht teilnehmen. Die Vorstellung sei ihm unerträglich, vor Besuch eines Gotteshauses durchsucht zu werden. Diese Absage Brauers war vom Bremer CDU-Vorsitzenden Bernd Neumann heftig kritisiert worden: Brauer habe mit seiner Äußerung „dem Ansehen des Bundeslandes Bremen großen Schaden zugefügt“. Als „Gläubiger und Mitglied der BEK“ forderte Neumann Brauer auf, doch noch am Gottesdienst teilzunehmen. Auch Elisabeth Motschmann vom CDU-Fraktionsvorstand und Ehefrau des evangelikalen Pastors von St. Martini, Jens Motschmann, bezeichnete Brauers Absage als einen „Affront“, weil mit dem Gottesdienst deutlich werden solle, daß „Christen diesen Tag nicht nur für Menschenwerk halten.“
Für profane Wahlkampftaktik halten dagegen die Bremer Grünen den Umgang mit den Feierlichkeiten. „Die unheilige Allianz zwischen gewaltbereiten autonomen Gruppierungen und der Sicherheitshysterie des Innensenators ist eine Wahlkampfhilfe für die konservativ-liberale Regierung in Bonn. Jeder geschmissene Stein wird so zu einer Stimme für Kohl/Kinkel“, hieß es gestern in einer Erklärung. Das Verbot aller Demonstrationen sei „ein weiterer Abbau demokratischer Grundrechte“. Aus Protest dagegen erklärten die Grünen, daß ihre Landesvorstandsmitlgieder Karin Krusche, Arendt Hindriksen und Björn Weber nicht am Staatsakt teilnehmen würden.
Das wiederum ließ den FDP-Landesvorsitzenden Manfred Richter, nicht ruhen: „Der Innensenator erfüllt seine Pflicht, wenn er die Veranstaltung sichert. Von einem Außerkraftsetzen der Grundrechte kann überhaupt keine Rede sein.“ bpo
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