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Archiv-Artikel

Gorleben

Wer im Wendland nach Angela Merkel fragt, der bekommt als erstes die Geschichte mit dem Backpulver erzählt. Atomkraftgegner hatten damit die damalige Umweltministerin im Kabinett Kohl bei ihrem zweiten Besuch 1997 in Gorleben beworfen – zuvor hatte Merkel einen Zwischenfall bei der Beladung eines Castor-Behälters damit kommentiert, dass auch in jeder Küche beim Kuchenbacken schon mal etwas Backpulver daneben gehen könne. Nun ist die Physikerin Kanzlerkandidatin der Union und lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Atomausstieg von Rot-Grün wieder rückgängig machen wird, sollte sie im Herbst an die Macht kommen.

Die Geschichte des Atom-Standortes Gorleben reicht lange zurück. 1977 wurden Pläne bekannt, in der strukturschwachen Region ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ zu bauen – mit Endlager, Zwischenlager und Wiederaufarbeitungsanlage. Im dünn besiedelten Wendland, so das Kalkül, würden die Leute nichts gegen die geplanten Fabriken haben, und gegen die versprochenen Arbeitsplätze erst recht nicht. Widerstand sei von der konservativen Bevölkerung, die in ihrer großen Mehrheit treu CDU wählte, kaum zu erwarten. Und falls doch einmal Chaoten zum Demonstrieren anreisten, dann ließe sich der wie ein Finger in die DDR hineinragende Landkreis leicht von der Polizei absperren.

Doch Politik und Atomwirtschaft verrechneten sich. Wegen der erbitterten Proteste der Lüchow-Dannenberger Bevölkerung und auswärtiger Atomgegner musste das Vorhaben erheblich abgespeckt werden. Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) erklärte eine Wiederaufarbeitungsanlage in Gorleben für nicht durchsetzbar, nachdem Hunderte von Bauern aus dem Wendland zu ihrem legendären Treck in die Landeshauptstadt gestartet waren.

Unter Tage aber wurde weiter erkundet, das Endlager dabei heimlich fast fertig gebaut. Namhafte Geologen bestritten immer wieder die Eignung des Salzstocks. Es gab Laugenzuflüsse, das Deckgebirge erwies sich als porös. 1987 krachte einer der beiden Schächte des Bergwerks beinahe in sich zusammen, bei den Arbeiten gab es schon mehrere Wassereinbrüche.

Im Rahmen des Atomabkommens mit der Stromwirtschaft ließ Trittin im Jahr 2000 die Arbeiten in Gorleben unterbrechen. Während des Moratoriums sollte eine Entscheidung über den Standort des künftigen Endlagers vorbereitet werden. Nach Alternativen zu Gorleben wurde aber nicht gesucht.

Im Gorlebener Wald steht auch die Castorhalle. Dort werden die stark strahlenden abgebrannten Brennelemente aus der Wiederaufarbeitung abgestellt. Jeder weitere Castortransport ins Wendland zementiert den Endlagerstandort Gorleben.