Gorleben wird kein Endlager: „Hier wird nicht gefeiert“

Als Endlager für hochradioaktiven Atommüll kommt Gorleben nicht infrage. Zum Feiern ist Wolgang Ehmke von der BI Lüchow-Dannenberg aber nicht zumute.

Mensschen machen eine Sitzblockade und halten gelbe Kreuze in der hand

Proteste gegen den Castortransport nach Gorleben im November 2010 Foto: Christian Jungeblodt

taz: Aus. Vorbei. Gorleben ist raus – amtlich bestätigt. Der Salzstock im Wendland wird kein Standort für ein deutsches Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Herr Ehmke, feiert das Wendland heute?

Wolfgang Ehmke: Nein, hier wird nicht gefeiert. Wir müssen uns auch erst noch sortieren. Bis zum Schluss haben wir befürchtet, Gorleben könnte als eine Art Rückfalloption erhalten bleiben. Es gab entsprechende Signale. Ja, jetzt haben wir es tatsächlich schwarz auf weiß: Die BGE (Bundesgesellschaft für Endlagerung) schließt Gorleben aus.

Dafür kommen jetzt jede Menge anderer Standorte in Deutschland infrage.

Wir haben immer gesagt: Der Umgang mit Gorleben ist eine Art Lackmustest. Wir freuen uns, dass wir uns durchgesetzt haben. Jetzt kann man hoffen, dass dieses Suchverfahren wirklich wissenschaftsbasiert und fair vorangetrieben wird. Einiges deutet aber daraufhin, dass das weiter nicht der Fall sein wird. Wir haben den Eindruck, dass es für die betroffenen Regionen keine ausreichende wissenschaftliche Expertise gibt und die Debatte nicht auf Augenhöhe geführt wird. Wir stehen da solidarisch mit den betroffenen Regionen.

Sie wollen den Widerstand an anderen Standorten unterstützen? Irgendwo muss der Atommüll doch hin.

Natürlich, wir sind keine Atommüllgegner. Das Zeug ist ja da. Wir sind AtomkraftgegnerInnen und haben bei all unseren Protesten um Gorleben und die Castortransporte stets betont, dass Atomkraft insgesamt ein Auslaufmodell ist. Wenn wir jetzt sagen, wir unterstützen andere Initiativen, dann heißt das: Wir können unsere Erfahrungen einbringen und auf Schwachpunkte hinweisen. Wir wollen aber nicht das Suchverfahren an sich torpedieren.

Ist das Aus von Gorleben wirklich allein dem Widerstand im Wendland zu verdanken? Oder waren jetzt doch wissenschaftliche Erkenntnisse ausschlaggebend für diese Entscheidung?

Das Moratorium, das es unter der rot-grünen Bundesregierung in den 2000er Jahren gab, hat sicherlich mit zum Aus von Gorleben als Endlagerstandort beigetragen. Aber ohne den jahrzehntelangen Widerstand wären wir nie so weit gekommen. Die Proteste gegen die letzten beiden Castortransporte 2010 und 2011 haben zu einem Umdenken in der Regierung beigetragen. Peter Altmaier war Umweltminister und hat gemerkt: Mit Polizeigewalt lässt sich das Endlager nicht durchsetzen.

43 Jahre Widerstand sind eine lange Zeit. Der Protest gegen den Atommüll hat das Wendland sehr geprägt. Empfinden Sie nicht auch Wehmut, wenn der Hauptanlass nun wegfällt?

73, engagiert sich seit der Standortbenennung Gorlebens 1977 als Nukleares Entsorgungszentrum in der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und ist deren langjähriger Sprecher.

Nein, wir brauchen dieses Endlager wirklich nicht. Natürlich war dieser Widerstand identitätsstiftend für diese Region. Wir haben Atomausstiegsgeschichte geschrieben. Aber wir sind ja weiterhin Atommüllstandort. Hier stehen zwei Zwischenlager, eins für die hochradioaktiven Abfälle mit 103 Castoren, das andere für mittelradioaktive Abfälle. Uns stört, dass dieses Suchverfahren auch nur für die hochradioaktiven Abfälle neu gestartet wird, nicht für alle Arten von Atommüll.

Sie selbst sind auch schon viele Jahrzehnte bei der wohl landesweit berühmtesten Bürgerinitiative aktiv. Beruflich sind Sie schon im Ruhestand. Können Sie sich das auch für ihr Engagement im Widerstand vorstellen?

Nein. Selbst wenn wir das Atommülllager abgehakt bekommen, haben wir immer noch genug zu tun. Wir könnten uns mehr um das Thema Klimakrise kümmern. Wir sind ja die Bürgerinitiative Umweltschutz. So etwas wie Ruhestand gibt es für mich nicht. Unruhestand ist meines Erachtens die richtige Lebensweise.

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