: Gorbi will Sozialismus aus Staatsnamen tilgen
Moskau (ap) — Das Parlament der russischen Sowjetrepublik hat am Dienstag beschlossen, sich an Verhandlungen über einen neuen Unionsvertrag zu beteiligen. Rußlands Präsident Boris Jelzin sprach sich laut 'Tass‘ jedoch gegen unnötige Eile aus. Bisher haben elf von insgeamt 15 Teilrepubliken ihre Bereitschaft geäußert, an der Ausarbeitung des neuen Unionsvertrages mitzuwirken. Nicht mit von der Partie sind die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.
Unterdessen setzte das Zentralkomitee der KPdSU, seine Plenartagung fort, in deren Mittelpunkt der geplante Unionsvertrag und die künftigen Aufgaben der Parteiorganisationen stehen.
In der Entschließung des russischen Kongresses der Volksdeputierten heißt es, Rußland sei als größte Sowjetrepublik „wesentlicher Träger einer erneuerten UdSSR auf der Grundlage eines neuen Unionsvertrages“. Das Parlament beschloß die Bildung eines Ausschusses, der mit Vertretern der Zentralregierung und anderer Republiken über den Vertragsentwurf beraten soll. Am Vortag hatte Präsident und Parteichef Michail Gorbatschow in der Eröffnungsrede der ZK-Tagung seinen Entwurf für einen neuen Unionsvertrag und den Vorschlag verteidigt, das Wort „sozialistisch“ aus dem Staatsnamen zu streichen. Scharf wandte er sich gegen nationalen Zwist, der jede Chance zur Überwindung der Wirtschaftskrise zunichte mache.
In seinem Entwurf für einen neuen Unionsvertrag, der den alten von 1922 ersetzen soll, hat der Parteichef vorgeschlagen, die Union sozialistischer Sowjetrepubliken in Union souveräner Sowjetrepubliken umzubenennen. Gorbatschow sagte, sein Vorschlag enthalte weiterhin „den starken Ausdruck der Gedanken und Prinzipien, die wir mit dem Begriff Sozialismus, mit seiner humanistischen und demokratischen Natur verbinden“. Der Vertrag, der die Beziehungen zwischen der Union und den Republiken neu regeln solle, spiele eine zentrale Rolle bei der Demokratisierung und der „sozialistischen Erneuerung“ des Landes.
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