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Archiv-Artikel

Lesung Goodbye Fräulein

Do, 29. 3., 20 Uhr, Carolyn Heinz Galerie, Eppendorfer Landstraße 10

Unvermittelt war das Fräuleinwunder Mitte der 90er wie eine plötzlich brechende Welle über den nichts ahnenden Leser gekommen. Fräuleinwunder, das waren lakonisch-larmoyante Familiengeflechte von Autorinnen zwischen 25 und 35 rauf und wieder runter erzählt: Schlechte Beziehungen zu Vätern, Müttern, Töchtern, Brüdern, Schwestern und Freunden. Ähnliches findet sich auch in Birgit Utz’ Roman „Weggefahren“. Zwei Schwestern treffen sich nach Jahren wieder: Rebecca hat gerade ihr Kind durch eine Totgeburt verloren, Elisabeth hat sich eingeigelt in ihre Beziehung mit Ben. Die beiden haben sich entfremdet, und finden doch wieder zueinander. Was wie ein Fräuleinsujet anmutet ist jedoch keines. Denn so banal es klingt: Utz ist eine Frau. Ihre Sprache ist direkt und temporeich, die Geschichte erfährt so unglaublichen Verve und Drive. Utz braucht für die Probleme ihrer Figuren keinen doppelten Boden. Vor allem aber steht sie nicht über ihnen. Sie ist mit ihnen vertraut, nimmt sich ihrer an. Und diese Nähe besitzt einen Charme, den man bei Nicht-Frauen vergeblich sucht – und manglücklich ist, diesen bei Birgit Utz gefunden zu haben. Goodbye Fräulein. Hello Frau.