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Goliath mit Schirm

■ Zwischen Tauziehen, Tai-Chi und Tradition: Die Barmbeker Kraftsportvereinigung Goliath von 1903 e.V. Von Olaf Zühlke

Der Riese Goliath war, wie man weiß, ein tapferer Kämpfer, den sein Gegner einst nur mit unfairen Tricks aufhalten konnte. Der Name steht seitdem für kolossale Kraft und stattliche Statur. Die Barmbeker KraftsportvereinigungGoliath von 1903 e.V. ist allerdings nicht gerade ein Gigant unter den Hamburger Sportvereinen: Mit 180 Mitgliedern, zumeist Jugendlichen, gehört der BKSV Goliath zu den kleinen Clubs.

Auch sonst ist der Vereinsname einigermaßen irreführend. So verleitet der Begriff „Kraftsport“ zu falschen Assoziationen. „Am Anfang gab es bei uns tatsächlich Rasenkraftsport wie Steinweitstoßen und Tauziehen“, berichtet der Vereinsvorsitzende Michael Bründel, heute dominieren fernöstliche Kampfsportarten. Und auch das Gründungsdatum ist im Grunde inkorrekt, denn in der heutigen Form existiert der Verein offiziell erst seit 1948. Zuvor wetteiferten unabhängig voneinander der Barmbeker KSV von 1921 und in Hammerbrook/Rothenburgsort der SC Goliath von 1903. Die beiden Vereine der Arbeitersportbewegung trennte Ideologisches: Wahrend bei Goliath sozialdemokratisch gesinnte Hafen- und Werftarbeiter dominierten, hatten im roten Barmbek die Kommunisten die Mehrheit.

1933 wurde der Arbeitersport von den Nazis verboten, beide Vereine wurden aufgelöst. Viele Mitglieder beider Vereine wurden ins Gefängnis gesteckt, der BKSV-Vorsitzende wurde im KZ Fuhlsbüttel von der SA erschlagen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde wenigstens im Hamburger Osten die Spaltung der Arbeiterbewegung überwunden: Ehemalige Mitglieder führten 1948 die beiden Ursprungsvereine in einer Neugründung zusammen. Allerdings hatte man in Barmbek schon vorher auf pieksigen Kokosmatten den Betrieb wiederaufgenommen. Inoffiziell, denn die Briten hatten die Ausübung von Kampfsportarten verboten – sie befürchteten die heimliche Ausbildung von Widerständlern. Die Barmbeker unterliefen diese Order, indem sie ihr Judo- und Ringertraining formell als Gymnastik bezeichneten.

Die Traditionen des Arbeitersports wurden beim BKSV Goliath weiterhin gepflegt: „Bei uns war immer die Arbeiterschaft organisiert“, berichtet der heute 76jährige Ex-Judoka Helmut Keyer, „deswegen hatten wir auch weniger Geld als die anderen Vereine und mußten immer viel improvisieren.“ Zwar schloß sich der Club bald dem bürgerlichen Hamburger Sportbund an, bewahrte aber lange Zeit eine leicht klassenkämpferische Note. So gab es in den fünfziger Jahren enge Kontakte zu Sportlern aus Ostdeutschland. Die Gäste aus „der Zone“ wiesen vor dem sportlichen Wettkampf schon mal in flammender Rede auf die Gefahren der Atombewaffnung hin. Hiesige Polizeiorgane sahen so etwas gar nicht gern und nahmen einmal eine komplette Ost-Berliner Turnerstaffel wegen verdächtigen Verhaltens vorübergehend fest.

Mittlerweile spielt die Politik im Vereinsleben keine Rolle mehr, und auch das Sportangebot hat sich gewandelt. Gewichtheben, Ringen oder Boxen sind mangels Beteiligung sanft entschlafen. Heute kann man beim BKSV Goliath Judo, Aikido, Tai-Chi und Esdo betreiben. Letzteres ist eine „europäische“ Selbstverteidigungsform „mit Alltagsgegenständen wie Schirm, Handtasche oder Zeitung“.

Was nach Monty Python klingen mag, hat Veteran Keyer beeindruckt. Die jungen Kämpfer, sagt er, hätten das Motto: „Wenn wir hart angegangen werden, schlagen wir auch hart zurück.“ Eine Einstellung, die der heutigen Arbeiterbewegung weitgehend verlorengegangen ist.

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