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Gnadenloser Klerus

■ Ein Fall fürs Arbeitsgericht: Kirche feuerte Lehrer, der ein Sexbuch verfaßte

Berlin (taz) – Der Streit war nicht zu schlichten. Der Arbeitgeber, das bischöfliche Generalvikariat in Trier, blieb hartherzig. Der Lehrer Claus Freytag aus Koblenz, der Kläger, beharrte bockig auf Weiterbeschäftigung. Vergebens. So kann er nun dem hauptsächlich nachgehen, was er einst nur nebenberuflich machte. Schreiben nämlich. En passant, als Lehrer am bischöflichen Cusanus-Gymnasium, ging das nicht. Das Koblenzer Arbeitsgericht erbat sich Bedenkzeit.

Was war passiert? Freytag muß sich in seiner Freizeit als Lehrkraft für die Fächer Deutsch und Englisch nicht ausgelastet gefühlt haben. So verfaßte er in seinen kargen, unterrichtsfreien Stunden keine katholischen Traktätchen, nein, gut jesuanisch Dinge von härterem Stoff und realitätsnäherem Gehalt. Heraus kam eine literarisch eher leichtgewichtige Kolportage, die er nicht in seiner privaten Schublade verkümmern lassen mochte. Der Mann suchte Gehör. Also wandte er sich an den Berliner Verlag Frieling & Partner. So kam das Büchlein unter dem Titel: „Nutten küssen nicht“ heraus. Ein Roman, so sein gedeckelter Autor, der den quälenden Zwiespalt zwischen romantischer und feuriger Liebe erörtert. Allein: Selbst diese Harmlosigkeit war seinem Arbeitgeber zuviel. Am 11. Oktober feuerte der bischöfliche Generalvikar den Pädagogen fristlos. Das Buch – mittlerweile in der zweiten Auflage – stelle eine „Gefährdung der Glaubwürdigkeit des Bistums“ dar, das Vertrauensverhältnis zu dem Lehrer sei zerrüttet. Der gestrige Gütetermin vor Gericht endete unentschieden. Der Richter räumte ein, das Buch nicht zu kennen. Ein Zustand, den er aber beheben wolle, um besser urteilen zu können. Ganz behutsam freilich: Der nächste Termin ist für den 6. Mai folgenden Jahres anberaumt. JaF

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