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Archiv-Artikel

Gnadenfrist für IR-Klassen

CDU verschiebt geplante Förderzentren auf 2006. Fraktionsexperte Marcus Weinberg nennt auch „gesamtpolitische“ Gründe: „Die Schulen brauchen mal Luft zum Atmen“

Anfang September vorgestellt, zwei Wochen später verabschiedet: Im Turbotempo hatte die CDU-Fraktion „Eckpunkte“ für neue sonderpädagogische Förderzentren durchs Parlament gestimmt. Bereits ab kommendem August sollte es keine neuen Integrativen Regelklassen mehr geben, was das Aus für 38 IR-Grundschulen bedeutet hätte. Gestern nun zog Antragsteller und Fraktionsvize Marcus Weinberg die Notbremse und erklärte, die Neukonzeption werde auf Sommer 2006 verschoben.

Darum geht es: Die CDU wollte zehn bis 15 Förderzentren schaffen, von denen Sonderpädagogen ausschwärmen, um an Schulen Kinder zu fördern. Zugleich sollte es an diesen Zentren weiter Sonderklassen geben. Uni-Fachleute hatten eindringlich vor einem „Ressourcen-Ettikettierungs-Dilemma“ gewarnt, bei dem Schüler zwar eine Diagnose für Förderbedarf erhalten, mangels Personal aber zur Sonderklasse müssen.

Weinberg erklärt nun, er habe in der Zwischenzeit mit IR-Vertretern „gute Gespräche“ mit interessanten Anregungen gehabt. So sei beispielsweise die Idee einer Basiszuweisung von Sonderpädagogenstunden an die Schulen zu prüfen.

„Wir wollen kein Durchpeitschen ohne Bedacht“, sagte er, auch wenn die Behörde eine „hervorragende planerische Vorarbeit“ geleistet habe. In der gewonnenen Zeit wolle er weitere Gespräche mit Betroffenen führen, um zu vermeiden, dass Fehler bei der Umsetzung gemacht würden. Denkbar wäre, 2005 in einer Modellregion ein Zentrum zu erproben, um zu erkennen, welche Effekte tatsächlich eintreten. Gerüchten, wonach die derzeit 130 Stellen im IR-Bereich um 30 reduziert werden sollen, trat Weinberg entgegen: „Es bleibt dabei, die Umsteuerung ist ressourcenneutral.“

Die gute Nachricht für die seit 2001 bedrohten IR-Grundschulen: Sie können zum neuen Schuljahr noch einmal neue Klassen einrichten. Diese Entscheidung musste noch vor der im Februar beginnenden Anmelderunde bekannt gegeben werden. Weinberg, der versicherte, er habe die Verschiebung „einvernehmlich“ mit Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) beschlossen, führte auch „gesamtpolitische“ Gründe an. „Wir haben im Schulbereich so viele Themen, da muss erst mal Ruhe rein“, sagte der CDU-Mann zur taz: „Die Schulen brauchen Luft zum Atmen.“

„Zynisch“ nannte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch den Umgang mit den betroffenen Schulen: „Seit drei Jahren leben Kinder, Eltern und Lehrpersonal mit der Drohung, dass sie abgeschafft werden, ohne das die Behörde auch nur Umrisse einer Alternative nennen kann.“ Die Tatsache, dass hier ein Abgeordneter „Senatorin spielt“ und die Verschiebung verkündet, sei eine „weitere Schwächung“ von Dinges-Dierig. Kaija Kutter