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Gnade für Flüchtlinge?

SPD versucht, restriktives Asylbewerberleistungsgesetz zu entschärfen. Länder hatten es initiiert. Heute im Bundestag  ■ Von Patrik Schwarz

Berlin (taz) – Einen Tag bevor sich der Bundestag mit der totalen Streichung von Sozialleistungen für mehrere hunderttausend Flüchtlinge in Deutschland befaßt, deutet sich bei den Urhebern des umstrittenen Gesetzentwurfs ein Umdenken an. Der Bundesrat hatte den Entwurf im Februar mit Hilfe mehrerer SPD-regierter Länder verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet. Die zuständige Berichterstatterin der SPD- Bundestagsfraktion, Brigitte Lange, sagte gestern der taz, sie sei im Gespräch mit mehreren Bundesländern, wie der Vorschlag grundlegend geändert werden könne. UNHCR, amnesty international (ai) und Pro Asyl haben die Gesetzesinitiative scharf kritisierte. „Wir haben Signale aus den Ländern, daß sie das so nicht gewollt haben“, sagte Lange unter Hinweis auf die gravierenden Konsequenzen, die den Flüchtlingen drohen.

Zentraler Punkt der beabsichtigten Korrektur ist eine Ausnahmeregelung für alle Flüchtlinge, die über eine sogenannte Duldung verfügen. Darunter fallen die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge. Nach ersten Schätzungen von Flüchtlingsexperten könnte sich damit die Zahl der von Sozialleistungsstreichungen Betroffenen von etwa 250.000 auf 30.000 bis 50.000 reduzieren. Das Bundesgesundheitsministerium, das die ursprüngliche harte Gesetzesvariante unterstützt, spricht sogar von 600.000 betroffenen Ausländern.

Brigitte Lange erklärte, die geplante Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes betreffe auch Bürgerkriegsflüchtlinge, obwohl dies von vielen Bundesländern nicht beabsichtigt worden sei. Für Langes Vermutung sprechen die widersprüchlichen Äußerungen verschiedener Landespolitiker in den letzten Wochen. So hatte etwa Berlins Sozialsenatorin Hübner (CDU) erklärt, Flüchtlinge aus Bosnien seien von der Regelung nicht betroffen, während Berlins Innensenator Schönbohm (CDU) sowie weitere Länderinnenminister Bosnier ausdrücklich einschlossen. Welche der SPD-regierten Länder den Entwurf jetzt gerne korrigieren würden, wollte Lange mit Rücksicht auf laufende Gespräche nicht sagen.

Zuvor hatte amnesty den Entwurf in der ursprünglichen Fassung als „Politik des Aushungerns Schutzbedürftiger“ bezeichnet, um sie zur Ausreise zu zwingen. Auch zahlreiche andere Initiativen befürchten, daß geduldeten und ausreisepflichtigen Flüchtlingen Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung und medizinische Versorgung nur noch nach Einzelfallprüfung gewährt wird. „Damit sät man Angst und Unsicherheit unter Hunderttausenden von Menschen“, sagte ai-Vorstandsmitglied Michael Maier-Borst der taz.

Der Lange-Vorschlag, geduldete Ausländer von den Streichungen auszunehmen, sei zwar ein bedeutender Fortschritt, so ein Sprecher einer Berliner Flüchtlingsinitiative, doch blieben unverändert bis zu 50.000 Menschen ohne Duldung von akuter Not bedroht. Der Bundestag wird den Entwurf morgen in den federführenden Gesundheitsausschuß überweisen, wo sich die Parteien bereits auf eine Expertenanhörung geeinigt haben. Wollten die SPD-regierten Länder eine Korrektur durchsetzen, müßten sie warten, bis die Novelle in zweiter Lesung an den Bundesrat zurückverwiesen ist.

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