: Glaubenstreit um Lübecker Haschisch-Urteil
■ Gutachter distanziert sich / Richter verteidigt sich / Minister begrüßt Entscheidung
Professor Karl-Artur Kovar, einer der fünf Gutachter im umstrittenen Lübecker Haschisch-Prozeß, trägt entscheidende Aussagen der Urteilsbegründung des Landgerichts nicht mit. In einem Gespräch mit den „Lübecker Nachrichten“ sagte Kovar, die Erklärung, daß der „auch nur einigermaßen geordnete Gebrauch von Haschisch faktisch frei von Bedenken ist“, könne so nicht stehenbleiben.
Allerdings sehe er, wie das Gericht auch, Haschisch nicht als „Einstiegsdroge“: „Es gibt tatsächlich keinen stoffgebundenen Weg von Haschisch zu Heroin oder anderen starken Drogen“, so Kovar.
Das Landgericht Lübeck hatte in einem am Mittwoch bekannt gewordenen Urteil den Grenzwert für eine „nicht geringe Menge“ Cannabis auf vier Kilo hochgeschraubt – das ist das 26-fache des bisherigen Limits (taz berichtete).
Richter Hartmut Schneider hat gestern sein Urteil verteidigt, insbesondere gegen die Kritik von Kovar: „Die Kammer hat sich dezediert mit dem Gefahrenpotential von Canabis auseinandergesetzt“, sagte Scheider. Das Gericht habe dessen Aussagen innerhalb der Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes rechtlich bewertet: „Das ist ein Rechtsvorgang, der in richterlicher Unabhängigkeit erfolgt“, sagte der Lübecker Richter.
Als „mutig, realistisch und gerecht“ wertete dagegen der Lübecker Richter Wolfgang Neskovic, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen (AsJ), das Urteil. Es sei eine an den medizinischen Fakten orientierte Entscheidung. Der Umgang mit einer Droge, die nur geringere Gefahren aufweise, müsse auch geringer bestraft werden.
Niedersachsens Sozialminister Walter Hiller (SPD) begrüßte die Entscheidung. Die gesundheitlichen Schädigungen durch Alkohol und Nikotin seien wesentlich größer als die von Haschisch ausgehenden Gefahren. lno
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