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Glatzen im Hochhaus

Wohnblock in Kaltenkirchen entwickelt sich zum rechten Treffpunkt. Nur die Polizei erkennt keine Anhaltspunkte  ■ Von Peter Müller

Die Neumünsteraner Bundestagsabgeordnete Angelika Beer schlägt Alarm: Nach Erkenntnissen der grünen Politikerin haben sich im Wohnblock Flottmoorring 56/58 in Kaltenkirchen (Kreis Segeberg) Neonazis „eingenistet“ und versuchen, – gesteuert vom Neonazitreff „Club 88“ – eine neue Hochburg in Schleswig Holstein aufzubauen und die BewohnerInnen der Anlage zu terrorisieren und einzuschüchtern.

Laut Beer bieten die beiden 14 Stockwerke hohen Betonblöcke, in denen sich über 100 Wohneinheiten befinden, und die ohnehin zu den „sozialen Brennpunkten“ Kaltenkirchens gehören, einen idealen Ansatz, um die Neonazi-Politik der so genannten „befreiten Zonen“ – wie in Neumünster um den „Club 88“ herum – fortzuführen. Beer stützt ihre Angaben auf Berichte von BewohnerInnen und den Erkenntnissen des privaten Security-Unternehmens „MK“, das seit vorigen Donnerstag im Auftrag des Besitzers zum Schutz der BewohnerInnen nachts im Einsatz ist.

MieterInnen hatten Beer berichtet, teilweise seien bis zu 50 Nazi-skins aufgetaucht, um Randale zu provozieren oder die BewohnerInnen einzuschüchtern. Sie hätten auch Kampfhunde dabei gehabt. Geborstene Eingangsglastüren, Einschusslöcher in Fensterscheiben und Glasfassaden sowie Hakenkreuzschmiereien und „Club-88“ Aufkleber in Fahrstühlen und Aufgängen belegten diese Hinweise. „Schon jetzt haben die Bewohner Angst, an die Öffentlichkeit zu gehen,“ mahnt Beer. Sie forderte die Stadt und die Landesregierung zum schnellen Handeln auf. So müsse eine „hotline“ eingerichtet werden und alle Verantwortlichen an einen Runden Tisch zusammenkommen. Beer: „Das ist ein Alarmzeichen, da kann man nicht sagen ,Deckel drauf'.“

Der örtliche Polizeichef Horst-Peter Arndt vermag hingegen keine „rechtextremistischen Aktivitäten“ erkennen und sorgt sich eher um das Image der Stadt. „Bei den Zwischenfällen hat es keine Anhaltspunkte für fremdenfeindliche Hintergründe gegeben,“ wiegelt er ab. Es gebe „keinerlei Hinweise auf neofaschistische Tätigkeiten“ in den Wohnblöcken, beteuert Arndt: „Ohne dass weitere Erkenntnisse vorliegen, kann nicht von einem neofaschistischen Brennpunkt gesprochen werden.“ Über die Verflechtungen der Glatzen zur „Club 88“-Szene zeigte sich Arndt „überrascht“. „Sollte sich das heraustellen, ist die Kaltenkirchener Polizei die letzte, die nicht eingreift.“

Dem widerspricht ein MK-Bodyguard. Die Security-Firma, die nach den Morddrohungen auch für den Personenschutz des Elmshorner IG Metall-Chefs Uwe Zabel verantwortlich ist, hat die Polizei genau über ihre Erkenntnisse informiert. „Es ist ganz, ganz schlimm, was hier läuft“, sagt der MK-Schützer. „Die Polizei versucht alles zu verharmlosen.“

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