Marmor Stein und Eisen Brecht: Glanzvoll überlebt
■ Eine Wortmeldung zum 100. Geburtstag
Bertolt Brecht bekannte sich, nach kurzen anarchistischen Anfängen, eindeutig als ein bolschewistischer Kommunist. Sein Engagement wurde für ihn werkbestimmend. Seine Texte wie seine Theaterarbeit hat er ausdrücklich als politische Indoktrination gedacht.
Insofern war es konsequent, wenn zu Zeiten des kältesten Krieges in Österreich und der Bundesrepublik ein Brecht-Boykott ausgerufen wurde. Man registrierte die politische Haltung des Künstlers und verhielt sich dazu. Daß man selbst dabei den größeren Schaden davontrug, war ebenso offensichtlich wie der Umstand, daß der Boykott nicht flächendeckend griff. Also entschloß man sich, die zweifelsfrei beträchtlichen ästhetischen Potenzen Brechts von seinem politischen Engagement zu trennen. Man ordnete seine Texte dem Bereich des allgemein Kunstschönen zu, obschon man sie damit kastrierte.
Bei dieser Praxis blieb es. Der zum Schulbuchklassiker und Vorzugsautor bürgerlicher Stadttheater aufgestiegene Dichter kann nunmehr gefeiert werden selbst von Leuten, die sich anderntags wieder in wütender Polemik gegen die roten Socken ergehen.
Wir wissen es nicht, wieso dieser Dichter an seiner Weltanschauung unerschütterlich festhielt, obschon seine engen Vertrauten Ottwald, Tretjakow und Carola Neher von Stalinisten ermordet wurden, was er wußte, und obschon die Politik der SED so verheerend ausfiel, daß es den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 provozierte, was er sah. Daß sein Werk das Scheitern jener Idee, der er anhing und die auch er vor ihrem Scheitern nicht bewahren konnte, so glanzvoll überlebte, ist unbestreitbar. So müssen auch wir uns nun an die Nebenaspekte halten, ganz im Sinne von Robert Gernhardt:
„Der war anders als ihr. / Was er tat, tat er ganz: / Hat gefickt mit dem Hirn / und gedacht mit dem Schwanz.“
Rolf Schneider, Schriftsteller
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