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Archiv-Artikel

Glanz und Elend im HipHop-Theater: Die Atzen fassen sich in den Schritt und die Puppetmastaz mögen nicht mehr den Hanswurst geben

Nun, missgünstige Zeitgenossen mögen den Eindruck gewonnen haben, dass HipHop nurmehr ein Kasperletheater ist. Dass Comicfiguren wie 50 Cent und die entsprechenden Gestalten wie Bushido hierzulande kaum mehr darstellen als eine Karikatur dessen, was die Gründerväter des Genres sich damals in den Siebzigerjahren ausgedacht haben. Und wenn man sich dann noch Die Atzen ansieht, möchte man dem armen Rap nur noch wünschen, er möge bald an Alzheimer erkranken, damit er wenigstens nicht mehr mitkriegt, wie fürchterlich er dahinsiecht.

Auf „Atzen Musik Vol.2“ feiern Frauenarzt und Manny Marc das, was sie für eine „riesengroße Party“ halten und fassen sich „auch mal in den Schritt“. Dazu hauen die Ballermann-tauglichen Beats immer schön stumpf auf die Eins und die Sequenzer rotieren wie Kampfhubschrauber. Der Rest sind billige Keyboardflächen, Mitgrölen garantierende Refrains und resthirnentsorgte Reime: „Ich rock die Scheiße fett/ Ich geh heut nicht ins Bett“.

Die Atzen finden ja, sie würden Miami Bass für den Spreestrand machen. So kann man es sehen, importieren sie doch gekonnt selbst den Sexismus der Vorlage ohne jede ironische Brechung. Deshalb ist das Ergebnis eigentlich Schlager, und weil die beiden Party-Meister das wissen, haben sie sich nicht nur konsequenterweise mit Jürgen Drews den „König von Mallorca“ als Gaststar dazugeholt. Sie akzeptieren auch, dass sie vornehmlich Dienstleistungsmusik machen, und haben die CD gleich zum Entertainmentpaket aufgestockt: Zum normalen Album kommt ein DJ-Mix, mit dem der Hobbykeller im Nu an die Schinkenstraße versetzt wird.

Angesichts solcher Zerrbilder, wie sie die menschliche Konkurrenz in Stellung bringt, sind die Puppetmastaz wahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass sie überflüssig geworden sind. Wer braucht schon außerirdische Handpuppen, wenn die Erdbewohner selbst die Hanswürste spielen? Anfang Dezember haben sie deshalb ihr letztes Konzert gegeben und legen mit „The Break Up“ nun das dazugehörige Abschiedsalbum vor. Es dokumentiert einerseits die tiefen Gräben zwischen Mastermind Mr. Maloke und seinen Mitstreitern, die, wie sie ankündigen, fortan alle als Solisten weitermachen wollen. Ist doch schon diese finale Veröffentlichung eigentlich eine Ansammlung von Solo-Tracks. Noch einmal zu hören ist andererseits aber auch, wie sachverständig die Puppetmastaz (beziehungsweise natürlich die hinter den Puppen stehenden Produzenten um Patric Catani) jedes Subgenre des HipHop adaptieren, ob Party-Tracks oder Storytelling, düster dräuenden Westcoast-Sound oder dreckig-eckigen Eastcoast, auch Raggamuffin oder die eher poppigen Varianten. Über diesen souverän puckernden Beats wird, schließlich ist Streit im Rap gute Tradition, natürlich vor allem nachgetreten. Der schlimmste Vorwurf, den sich unsere Stoffhelden dabei machen können, ist dieser: „You’re acting like humans.“ Angesichts des Kasperletheaters, das die Menschen so bieten, eine tatsächlich erschütternde Unterstellung. THOMAS WINKLER

■ Die Atzen: „Atzen Musik Vol. 2“ (Kontor/Atzen Musik/Edel) live 10. 3. Columbiaclub

■ Puppetmastaz: „The Break Up“ (Discograph/ALIVE)