Gipfel zur Rettung der Biodiversität: Kein Leben ohne Frösche
Der UN-Gipfel bringt hoffentlich wenigstens dies: Das Verständnis dafür, dass der Schutz der Biodiversität nicht Nashörner retten will, sondern uns.
F ast zwei Wochen verhandeln die 196 Mitgliedstaaten der UN-Konvention über die biologische Vielfalt ab Mittwoch über das Überleben der Menschheit. Denn darum geht es auf der Conference of the Parties, COP. Biodiversität retten meint mehr als Bienen und Gänsegeier. Biodiversität umfasst das Netzwerk der Natur, das Zusammenspiel von Bakterien, Pilzen, Tieren und Pflanzen. Wie diese Lebewesen und Organismen zusammen wirken, sich gegenseitig benötigen, begrenzen, befördern, haben wir nur in Ansätzen verstanden. Aber wir wissen, dass es Böden fruchtbar hält, Süßwasser verfügbar und die Luft sauber. Es sichert unsere Ernährung und hilft, das Klima zu stabilisieren.
Man kann diesen Blick auf das Thema für utilitaristisch halten und es ablehnen, an der Natur nur das zu schätzen, was sie für Menschen leistet und was sich in Euro, Yuan und Dollar umrechnen lässt. Natürlich sind die Existenz der Feldlerche oder des Nördlichen Breitmaulnashorns ein Wert an sich. Eine intakte Natur kann Erholung bieten und spirituelle Kraft schenken, und auch einfach Freude bereiten. Paddeln macht mehr Spaß, wenn am Flussufer Fischadler brüten.
Es geht beim Schutz der Biodiversität also nicht nur ums Geld. Aber sie zieht weltweit den Kürzeren, wenn es ums Geld geht. Frösche sind gut und schön; wenn wir in ihrem Lebensraum aber Bergbaugebiete, Siedlungen oder Maisäcker anlegen wollen, sollen sie bitte keinen Stress machen. Und Ackerböden widmen wir solange den Weltbodentag (der ist übrigens am 5.12.), bis wir in Deutschland vier Millionen Wohnungen bauen wollen. Die sind dann wichtiger und der Schutz des Bodens eine Variable zu viel.
Der Klimawandel hat uns da weitergebracht. Das liegt an Aktivisten etwa von Fridays for Future, aber vor allem an der Tatsache, dass auch Försterinnen und Waldspaziergänger, Chefs von Chemieparks und Arbeiterinnen in Stahlfabriken inzwischen am eigenen Leib erfahren haben, dass und wie sehr ihnen die Erderwärmung, kahle Wälder, austrocknende Flüsse und instabiles Wetter, schaden. Nur wenn Menschen betroffen sind, sind Menschen auch bereit, über Verhaltensänderungen wenigstens nachzudenken.
Um Verhaltensänderungen geht es beim UN-Gipfel: Um wirksame Regeln, der Natur Raum zu geben, 30 Prozent streng geschützte Naturschutzgebiete bis 2030, in denen Menschen, die schon immer in und mit der Natur gelebt haben, weiter wirtschaften können. Indigene Gemeinschaften im globalen Süden etwa dürfen durch Naturschutz nicht beeinträchtigt werden – das haben die die UN inzwischen überwiegend verstanden.
Für Industriestaaten wie Deutschland würde ernsthafter Schutz der Biodiversität bedeuten: Kommunen weisen keine Baugebiete für Einfamilienhäuser, Gewerbegebiete oder Straßen mehr auf der grünen Wiese aus. Wir essen überwiegend pflanzlich und kaum noch Kühe und Schweine. Wir nutzen deutlich weniger Ressourcen aus dem artenreichen Süden, und berücksichtigen das in unserer eigenen Transformation – etwa bei der Produktion von Elektroautos.
Dass aus Montreal ein Vertragstext folgt, der all das sicherstellt, ist wohl Wunschdenken. Zu angespannt ist die geopolitische Lage, zu groß sind die Widerstände in den satten Industriegesellschaften und den hungrigen Schwellenländern. Wichtig ist der Gipfel trotzdem, weil es das Thema auf die Agenda bringt. Im Augenblick lässt sich wohl nicht viel mehr erreichen als dies: dass möglichst viele Menschen begreifen, dass der Schutz der Biodiversität nicht Nashörner retten will, sondern uns.
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