piwik no script img

Giftgrünes »Europoly«

■ »Giftgrüne Woche« zeigt soziale und ökologische Folgen des EG-Binnenmarktes/ Subventionen für umweltfreundliche Landwirtschaft

Berlin. Der Eingang von Ausstellungen kann nicht einladend genug gestaltet sein. Der Besucher der »Giftgrünen Woche« jedoch muß erst eine Hürde überwinden, bevor er die diesjährige Schau betreten darf — einen Schlagbaum. Nicht jeder darf mitmachen beim »Europoly«, einem Spiel mit europäischen Grenzen. Die Spielregeln hängen von den Verordnungen und Gesetzen des politischen Bündnisses ab, gewinnen werde derjenige, der seine wirtschaftliche Macht am stärksten zu konzentrieren weiß, erläutert Götz Nübel die Namensanlehnung an das populäre »Monopoly«.

Die Brüsseler Politik steht im Mittelpunkt auch der insgesamt 14 Filmvorführungen, Vorträge und Diskussionen, die im Ökodorf stattfinden, das die Gegenveranstaltung zur »Grünen Woche« ausrichtet. Bei keinem Thema komme man an der Politik der Europäischen Gemeinschaft (EG) vorbei, berichtet Nübel, ob die Agraroppositionellen sich nun mit der drohenden Klimakatastrophe, umstrittenen Agrarsubventionen, bestrahlten Lebensmitteln oder der Asyldebatte beschäftigt hatten.

Am Schlagbaum des Ökodorfes dagegen kommt jeder vorbei — dank Zöllner, die durch Abwesenheit glänzen. Eine Ausstellungstafel erläutert allerdings das komplizierte Einreiseverfahren für Tagelöhner und Tiere, die von außerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft kommen. Die Einfuhrsteuern beeinflussen aber auch die Entscheidungen der Landwirte innerhalb der Gemeinschaft. Beispielsweise würden Bauern, die ihre Hühner mit hiesigem Getreide statt mit afrikanischem Soja füttern, benachteiligt, erklärt Nübel, der sich intensiv mit Landwirtschaftspolitik auseinandergesetzt hat. Denn im Gegensatz zu nahezu allen anderen Importwaren werde das eiweißhaltige Tierfutter kaum besteuert. Mit dem Soja würden die Hühner in den industriellen Eierfarmen gemästet. Ein umweltfreundlich produziertes Bio-Ei sei deshalb viermal teurer als sein aus der Massentierhaltung kommendes Gegenstück, so Nübel.

Die Tafeln der Ausstellung sind in den Farben des Monopoly-Spielplans gehalten, haben an der oberen Kante einen farblich abgesetzten Streifen, auf dem beim Spiel mit den Häusern die Hotels stehen würden. Die Tafel zur EG-Frauenpolitik trägt einen violetten, die Müllwirtschaft einen hellblauen und die Energieproblematik einen gelben Balken.

Durch die Gemeinschaft werde sich die Situation für Frauen verschlechtern, glaubt Nübel. Die europäischen Mutterschutzrichtlinien seien weit unter deutschem Standard, es gebe zwar Beschäftigungsverbot für Schwangere, aber keinen Kündigungsschutz. Außerdem müßte auch Gehalt nicht weitergezahlt werden.

In der Energiepolitik forciere die EG einen freien Strommarkt. Französischer Atomstrom könnte ein Berliner zu französischen Preisen beziehen. Umweltfreundliche Stromproduktion würde so noch mehr benachteiligt als bisher.

Für die Ökodörfler ist die Reform der Landwirtschaftspolitik von der Sicherheitsstrategie Europas nicht zu trennen. Deshalb fehlt die sinngemäße Darstellung des Eckfeldes »Im Gefängnis — nur zu Besuch« auch nicht. In einer kleinen Zelle wird über die Zusammenarbeit der Polizei informiert. Ein Teil der von der deutschen Polizei gesammelten Daten könnten im Ausland abgerufen werden — nach den dort geltenden, unzureichenden Datenschutzbestimmungen, kritisiert Nübel.

Wer »Europoly« verläßt, kommt — im Gegensatz zur Ausreise aus Westeuropa — ungehindert am Schlagbaum vorbei. Dirk Wildt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen