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Giftfirma in schiefer Sicherheitslage

■ „Unabhängiger“ Sicherheitsgutachter hält selbst Patente der Giftfirma Detia/DeGeSch / Prof. Fluck hatte der Giftgasproduktion öffentlich Harmlosigkeit bescheinigt / „In innigem Filz mit der Firma verwoben“

Von Rolf Gramm

Weinheim (taz) - Die Giftgasfirma Detia Freyberg/DeGeSch, die in den vergangenen Wochen mehrfach wegen Giftgasemissionen und wegen der Sicherheitslage auf ihrem Gelände ins Gerede gekommen ist, hat offensichtlich mit einem „unabhängigen Gutachten“ versucht, Öffentlichkeit und Behörden hinters Licht zu führen. Der gleiche Gutachter, der der Firma die sicherheitspolitische Unbedenklichkeit bescheinigte, hat unter dem Namen der Firma Patente für genau die Giftgas– Grundstoffe angemeldet, um die es bei der geplanten Produktionsausweitung von Detia und DeGeSch in Laudenbach beziehungsweise in Frankfurt geht. Er ist damit am Umsatz des nach seinem Verfahren hergestellten Produkts selbst beteiligt. Das Gutachten des Direktors des renommierten Gmelin–Instituts der Max–Planck–Gesellschaft, Prof. Dr.Dr. h.c. Ekkehard Fluck, hat bei den Rechtfertigungsbemühungen der Firma in den letzten Monaten eine entscheidende Rolle gespielt. In ihm wird ausgeschlossen, daß sich durch die Lagerung von Aluminium– oder Magnesiumphosphid eine Katastrophe ähnlich der in Bhopal ereignen könnte. Die Firma hatte dieses sogenannte „Gmelin–Gutachten“ stets als Persilschein für einen sicheren Betrieb genutzt und auch die Kontrollbehörden wehrten mit dieser Arbeit die Kritik von Umweltschützern an der Giftproduktion ab. Bei seinen Recherchen stieß der grüne Chemieprofessor Jürgen Rochlitz jetzt auf die Patente des Gutachters. Aus diesen ergibt sich nicht nur, daß der angeblich unabhängige Gutachter Prof. Fluck offensichtlich ein besonderes Interesse daran hat, die Behörden von der Sicherheit der Detia–Produktion zu überzeugen. Vielmehr empfiehlt Fluck im Patent DOS 2 945 647 seine neue Methode mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß diese sicherer sei als das bislang in Laudenbach angewandte Verfahren. Während er im Patent die Selbstentzündlichkeit von Phosphorwasserstoff als Nachteil beschreibt, hebt er im „Gmelin–Gutachten“ genau diese Eigenschaft als besonderen Vorteil hervor. Professor Fluck ist nach den Recherchen von Rochlitz im übrigen auch die wissenschaftliche Quelle des niederen Geruchsschwellenwertes für das Giftgas Phosphorwasserstoff (Phosphin). Nach den Fluckschen Laboruntersuchungen, auf die sich auch die Aufsichtsbehörden bislang stützten, kann man Phosphin bereits in einer als ungefährlich eingestuften Konzentration riechen. Andere Untersuchungen gehen dagegen von einem weit höheren Schwellenwert aus: Das würde bedeuten, daß die zulässige Immissionsbelastung der Umgebung in dem Moment bereits um das 200–fache überschritten ist, wenn man das Phosphin riecht, was in der Umgebung der Detia–Werke häufig vorkommt. „Nicht nur, daß die Behörden die Phosphin–Belastung nur mit den Meßgeräten der Detia selber messen können, auch das angeblich unabhängige Gutachten und auch noch die wissenschaftlichen Geruchsgrenzwerte sind damit in innigem Filz mit der Firma verwoben“, faßte gestern der Chemieprofessor Rochlitz die Erkenntnisse über den Kollegen und seine Firma zusammen.

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