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Ghali: Die UNO ist fast pleite

■ In weniger als zwei Wochen ist kein Geld mehr da, sagt der UNO-Generalsekretär / Drastische Sparmaßnahmen und drohendes Moratorium auf neue Ausgaben / Appell folgt auf Korruptionsvorwürfe

New York/Berlin (AP/AFP/ taz) – Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Butros Ghali, hat wegen der „nicht tolerierbaren“ Finanzkrise der Weltorganisation Alarm geschlagen. In einer Rede vor dem Finanzausschuß der UN-Vollversammlung sagte er, die UNO werde ab dem 7. September über kein Bargeld mehr verfügen, wenn sich die Zahlungsmoral der Mitgliedsländer nicht bessere. „Die Organisation lebt von der Hand in den Mund“, sagte Ghali. Fast alle Mitgliedsstaaten seien mit ihren Beiträgen im Verzug. Wenn in den kommenden 30 Tagen nicht bedeutende Zahlungen eingingen, gerieten die laufenden Friedensmissionen in Gefahr und die UNO könne keine neuen, mit Ausgaben verbundenen Verpflichtungen mehr eingehen.

Ghali kündigte drastische Sparmaßnahmen an, um den Druck auf säumige Mitglieder zu erhöhen. So soll der UN-Sicherheitsrat künftig nicht öfter als zehnmal pro Woche zusammentreten dürfen. An Wochentagen nach 18 Uhr werden dem Sicherheitsrat und der Vollversammlung zudem keine Mitarbeiter mehr zugewiesen. Sitzungen am Wochenende sollen nur noch in dringlichen Fällen und bei einigen Vollversammlungen möglich sein. Ferner sollen nicht mehr alle Sitzungsberichte automatisch in zahlreichen Sprachen verteilt werden; die UNO will sich künftig auf englisch und französisch konzentrieren. Dienstreisen sollen drastisch eingeschränkt werden.

Die Maßnahmen sind dem Generalsekretär zufolge zunächst bis Jahresende befristet. Sollten die Mitglieder bis dahin nicht ihre Rückstände bezahlt haben, werde er „grundlegende Änderungen“ einleiten, kündigte er an. Damit spielte er auf mehrfach in die Diskussion gebrachte Überlegungen zu einer grundlegenden Reform der UNO an. So hatte Ghali unlängst erneut seine langgehegte Absicht bekundet, bis Ende 1994 eine stehende UNO-Friedensarmee aufzustellen.

Die Alarmrufe kommen zu einem Zeitpunkt, in dem immer wieder massive Vorwürfe gegen die UNO wegen Korruption und Geldverschwendung gemacht werden. Die Londoner Sunday Times hatte am 15. August berichtet, jährlich vergeude die UNO 400 Millionen Dollar durch schlampiges Management. Eine Studie des ehemaligen US-Bundesanwalts Richard Thornburgh über Geldverschwendung sei unterdrückt worden. In einer ersten Reaktion darauf hatte die UNO am 21. August den Posten eines Korruptionsbeauftragten geschaffen und in dieses Amt den Ägypter Mohammed Ali Niazi ernannt. Er soll insbesondere angebliche Irregularitäten in der Hubschrauberbeschaffung für UN-Friedensmissionen untersuchen. Am vergangenen Donnerstag hatte der Londoner Guardian Soldaten der UNO-Mission in Ex-Jugoslawien UNPROFOR Korruption und Drogenhandel vorgeworfen. Ermittler der Militärpolizei sollen dies nun untersuchen; zwei ukrainische UNO-Leutnants in Sarajevo sind verhaftet worden. D.J.

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