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Ghaddafis letzte Karte?

■ Politisch hat Libyen den Krieg im Nachbarland längst verloren

Wer sich dieser Tage überhaupt noch die Mühe macht, nach einer libyschen Strategie im tschadischen Konflikt zu fragen, stößt rasch auf Grenzen: Offiziell sind libysche Streitkräfte in keiner weise an den Kämpfen im tschadischen Norden beteiligt - so jedenfalls die wiederholte Verlautbarung aus Tripoli, wo man sich hinter dem kleinen Finger der „legitimen Gunt–Regierung“ versteckt. Die Argumentation: Hissein Habre hat im Juni 1982 die rechtmäßige Regierung Gukuni Weddeyes gestürzt und die Macht in NDjamena usurpiert. Seither versucht er, auch den Norden des Tschad seinem Machtbereich einzuverleiben, was die Truppen der Gunt dank der „brüderlichen Waffenhilfe“ Libyens verhindert haben... Über Legitimität zu streiten ist müßig in einem Land, in dem seit 20 Jahren Staatsmacht im Wortsinne aus den Waffenläufen kommt. Was freilich in der offiziellen libyschen Version vollends unterschlagen wird, ist zum einen die völkerrechtliche Anerkennung des Regimes Hissein Habres von seiten der Vereinten Nationen und der „Organisation für afrikanische Einheit“. Zum anderen bleibt unerwähnt, daß der langjährige Präsident der Gunt, Gukuni Weddeye, im vergangenen Oktober offensichtlich die Allianz mit Libyen gebrochen hat. Bei einem Schußwechsel zwischen seiner Leibgarde und libyschen Soldaten ist er am 30. Oktober an der Hüfte verletzt worden und seither in einem Krankenhaus in Tripoli in Pflege - und potentiell in Haft. Libyen hat inzwischen die Reste der vormaligen „nationalen Übergangsregierung“ (Gunt) mühsam restauriert, zum neuen Präsidenten wurde Acheikh Ibn Oumar ernannt, der Führer des „Conseil Democratique Revolutionaire“. Diese Fraktion repräsentierte im Rahmen der historischen Gunt die arabisch–sprechenden Stämme des tschadischen Nordostens, die sich - so vor allem Ghaddafis Sichtweise - als kulturell und politisch eigenständige Gruppe von den nördlichen „Toubou“ einerseits und den südlichen Bantu–Negern andererseits unterscheiden. In rassischer, wenn nicht rassistischer Verkürzung: Der Tschad ist als Nation nicht lebensfähig, insofern er in unheiliger Allianz „Araber“, „Berber“ und „Neger“ vereint. Darauf läuft im Extrem die libysche Formel des tschadischen Konflikts hinaus, wobei die „Araber“ in seinen Augen dem islamischen Reich zuzuschlagen sind und die „Toubous“ des tschadischen Nordens zumindest Hoffnung auf Erlösung hegen können - wogegen die Bantu–Neger allensfalls auf eine Art „Rumpf–Tschad“ im Süden Anspruch erheben können. Es ist mehr als fraglich, ob sich nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg im Tschad mit solcher Vision noch Politik machen läßt. Ghaddafis Libyen setzt heute mit Acheikh Ibn Oumar auf seine letzte Karte, aber - politisch - ist das Spiel im Tschad bereits verloren.

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