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Gewitzter Kinogauner

■ Neu im Kino: „Der Mann, der die Sterne macht“, ein sizilianisches Melodram

Am besten kann man die Menschen betrügen und ausnutzen, wenn man sie bei ihren Sehnsüchten und Träumen packt. Und die am besten geölte Traummaschine ist das Kino. Selbst im kargen, armen Sizilien der frühen fünfziger Jahre wußte jeder vom paradiesischen Leben der Filmstars. Und ein gewitzter Betrüger brauchte sich nur als Talentsucher der Universalia Studios in Rom auszugeben, um den Leuten für angebliche Probeaufnahmen mit seiner klapprigen Kamera das Geld aus den Taschen zu ziehen.

Diese Geschichte erzählt Guiseppe Tornatore mit seinem neuen Film „Der Mann, der die Sterne macht“, in dem er mit einer fast schon mathematischen Konsequenz den Gegenentwurf zu seinem internationalen Kinohit „Cinema Paradiso“ liefert. Dort war sein Protagonist ein warmherziger Filmvorführer, hier ist es ein misanthropischer Kameramann. Dort wurde ein kleiner Junge durch den Helden und das Kino zu einem besseren Menschen erzogen, hier wird ein junges Waisenmädchen durch den Betrüger letztlich um den Verstand gebracht.

So beginnt der Film als Komödie mit Szenen, in denen gezeigt wird, wie gewitzt Joe Morelli – der Mann, der vorgibt, die Sterne zu machen – die naiven Landeier Siziliens übers Ohr haut. Allen erzählt er, daß sie Gesichter haben, auf die die Filmstudios nur so warten, die gesamte Dorfbevölkerung läßt er Dialoge aus „Vom Winde verweht“ auswendig lernen (auf blauen Handzetteln für die Männer und rosafarbenen für die Frauen), und von jeder Probeaufnahme ist er begeistert. Kinder, Frauen, Bauern, Fischer, Polizisten und Banditen – alle lockt er mit Versprechungen von der großen Filmkarriere, allen knöpft er 1.500 Lire ab, und nie wechselt er die Filmrolle.

Tornatore hat sich offensichtlich von Fellinis Film „Die Schwindler“ inspirieren lassen, denn auch dort treten die komischen Szenen im Laufe des Films immer mehr in den Hintergrund, und der Bauernfänger verwandelt sich von einer amüsanten in eine zynische und letzlich dann tragische Figur. Tornatores Film endet als pessimistisches Melodram – auch das Kino kann Joe Morelli nicht mehr helfen.

Der Film wäre geradezu deprimierend, wenn Tornatore nicht auf einer anderen Ebene etwas ganz anderes zeigen würde. Denn im Grunde ist „Der Mann, der die Sterne macht“ eine einzige große Liebeserklärung an Sizilien. Der Film besteht fast nur aus Außenaufnahmen und zeigt wunderschöne archaische Landschaften und Dorfansichten, die den Schauspielern regelmäßig die Show stehlen.

Und mit einem Kunstgriff läßt Tornatore die Sizilianer direkt in die Kamera von ihrem Leben erzählen. Denn obwohl Joe Morelli nur unbrauchbares Zelluloid in seinem Holzkasten hat, können wir auf der Leinwand die „Probeaufnahmen“ sehen, und weil die meisten sich mit den vorgegebenen Filmdialogen schwertun, reden sie einfach, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Von ihrer Arbeit, ihren Träumen, ihrem Elend und ihrer Heimat erzählen sie – das Zelt auf dem Dorfplatz mit der Kamera wird für sie zum Beichtstuhl, und Tornatore präsentiert uns hier ein funkelndes Kaleidoskop an sizilianischen Charakteren und Schicksalen.

Fast scheint der ganze Plot für den Regisseur nur ein Vorwand zu sein, um diese Bilder auf die Leinwand zu bringen. Und wenn Joe Morelli sich diese Bilder in der Schlußeinstellung in Erinnerung ruft, wird ihm klar, daß er wirklich Sterne vor seiner Kamera hatte und zu dumm war, sie einzufangen.

Wilfried Hippen

Läuft in Gondel und Schauburg

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