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Gewerkschafter ganz rotgrün

■ Streitgespräch im DGB-Haus / Einhellig gegen eine Große Koalition

Großer Applaus für Ralf Fücks: „Die SPD darf nicht behaupten, sie könne sowohl mit der CDU als auch mit den Grünen koalieren. Mit einer Großen Koalition macht sie sich zum Steigbügelhalter der CDU, die dann über kurz oder lang zur stärksten Fraktion wird.“ Gestandene Gewerkschafter waren es, die dem Grünen-Politiker am Mittwoch abend im vollen Clara-Zetkin-Saal des DGB-Hauses reichlich Beifall spendeten.

Bei den Gewerkschaftern macht sich ökologisches Bewußtsein breit; da wehrte sich ein Betriebsrat gegen die „Zubetonierung der Hemelinger Marsch“, und Ex-Finanzsenator Moritz Thape, Befürworter einer Schwarz-roten Koalition, stand ganz alleine da. Thape nahm es gelassen. Er habe schon oft gegen den Strom schwimmen müssen, und: „Ich kann ja zu Hause in meinem Garten in der Sonne sitzen, aber ich kann Euch versichern: ohne Privatisierung und Stellenabbau wird es nicht gehen, und nur wenn die SPD vernünftige Konzepte zu diesen Fragen vorlegt, wird sie sich wieder konsolidieren können.“ Allgemeines Murren.

Zwei Stimmen Mehrheit für Rot-grün sei, so der frühere Finanzsenator Thape, zu wenig, um die anstehenden Maßnahmen zur Rettung Bremens durchziehen zu können. Und: „Bremen ist in der Vergangenheit mit bürgerlich-kaufmännischen Koalitionen nicht schlecht gefahren, und die SPD auch nicht.“ Ex-Bildungssenator Horst-Werner Franke, neben Thape vom DGB aufs Podium geladen, sieht das als Befürworter einer Rot-grünen Koalition natürlich anders. Er berichtete von dem „furchtbaren Gefühl“, das ihn am Wahlabend überkommen habe. Dabei gebe es eigentlich „keine großen falschen Sachentscheidungen in der Politik der SPD“. Vielmehr habe die Cliquenbildung unter den Mandatsträgern und deren Entfremdung von den Wählern für den Absturz der Partei gesorgt.

Für das Argument, nur eine deutliche Senatsmehrheit sei politisch handlungsfähig, hat Franke nicht viel übrig. Im Vordergrund müsse die inhaltliche Auseinandersetzung stehen, nicht die „Angst vor der schmalen Mehrheit.“ Wie denn Thape sich eine Schulpolitik der SPD mit der CDU vorstelle, wollte Franke wissen. Ihn selbst komme schon bei dem bloßen Gedanken „Entsetzen“ an. Im übrigen sei Sparpolitik auch mit den Grünen zu machen, und die wären ja „Wahnsinnskandidaten, wenn sie eine rot-grüne Koalition auffliegen ließen, wo sie sich doch als dritte politische Kraft im Land endgültig etablieren wollen.“

Die Diskussion zeigte rasch, daß Thape die Gewerkschafter nicht hinter sich bringen konnte. „Arbeitnehmerfeindliche Privatisierungskonzepte“ der CDU stießen den Rednern auf, und die Mehrzahl von ihnen fürchtete geradezu einen „Abgesang der parlamentarischen Demokatie“, wenn SPD und CDU erstmal mit übermächtiger Mehrheit regieren. Die Grünen dagegen sind bei Gewerkschaftern hoffähig geworden. Selbst beim Stadtwerke-Verkauf wollte man sich am Mittwoch abend eher auf die „Verschränkung von Ökonomie und Ökologie“ einlassen als einer „bürgerlich-kaufmännischen Koalition“ zu folgen. Helge Rosenkranz

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