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Gewerkschaften lassen bei Kammer entlassen

■ 30 Stellen weg: Angestelltenkammer steht vor drastischen Sparbeschlüssen

Der Angestelltenkammer Bremen steht das Wasser bis zum Hals. Die Geschäftsführung hat deshalb den Rotstift gezückt und will sich auf der heutigen Vollversammlung in Bremerhaven ein „Konzept zur wirtschaftlichen und finanziellen Konsolidierung“ absegnen lassen: 30,5 Stellen sollen demnach gestrichen werden. Dadurch will die Angestelltenkammer jährlich 2,5 Millionen Mark sparen. Arbeitszeitverkürzungen und Vorruhestandsregelung sollen weitere 600.000 Mark jährlich bringen.

Die Kammer finanziert sich aus den Mitgliederbeiträgen: Per Gesetz wird jedem Angestellten der Beitrag vom Gehalt abgezogen. Das waren 1994 13,4 und 1993 13,5 Millionen Mark. Außerdem kassiert die Kammer allein für die Bildungsarbeit Zuschüsse von rund drei Millionen Mark aus der öffentlichen Hand. Doch das Geld reicht offenbar nicht. Die Kammer muß Personalkosten sparen. Deshalb will die Kammer auf Sparkurs gehen, so daß jährlich vier Millionen Mark eingespart werden könnten. Rein rechnerisch sind das laut Gewerkschaft Öffentliche Dienste und Verkehr (ÖTV) 45 Vollkostenstellen.

Allein bei der Wirtschafts- und Sozialakademie stehen 22,45 Stellen auf der Abschußliste. AusbilderInnen, Pädagogische Fachkräfte, VerwaltungssachbearbeiterInnen und ReferentInnen sollen gehen. Gesparte Personalkosten: 1,6 Millionen Mark. Bei der Angestellenkammer hat die Geschäftsführung 8,075 Stellen im Visier: In der Forschung, Gesundheitsberatung, Rechtsberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Kultur, und der Innenrevision will sie 900.000 Mark Personalkosten weniger ausgeben. Außerdem will die Geschäftsführung eine Reihe von Sozialleistungen streichen: Alle Kammermitglieder sollen künftig nur noch 38,5 Stunden arbeiten. Die Möglichkeit bei einer 40-Stunden-Woche einen Freizeitausgleich von acht Tagen in Anspruch zu nehmen, fällt flach. Der Bildungsurlaub von zehn Tagen nach zehnjähriger Dienstzeit soll ebenso gestrichen werden, wie das 100-Mark-Geschenk zum 10. Dienstjubiläum. Auch die Kontoführungsgebühr von einer Mark pro Monat und der Essenskostenzuschuß ist der Kammer zu viel Geld. Selbst der zusätzliche Urlaubstag für Schwerbehinderte – bisher eine heilige Kuh – fällt dem Sparzwang zum Opfer, wenn sich die Geschäftsführung mit ihren Wünschen durchsetzt.

Der ÖTV-Kreisvorstand Bremen hat Irmtrud Gläser gegen die Pläne der Geschäftsführung protestiert. Die Krise der Angestelltenkammer sei durch das „Mißmanagement der Geschäftsführung“ entstanden. Es könne nicht angehen, daß jetzt die 242 Mitarbeiter die Suppe auslöffeln müßten. Außerdem sind „umfangreiche, betriebsbedingte Kündigungen kein geeigneter Weg, um die Finanzierungskrise zu überwinden“, heißt es in einem Beschluß des ÖTV-Kreisvorstandes. Betriebsbedingte Kündigungen in der Angestelltenkammer seien zudem „ein Signal für einen Einstieg in Entlassungen Öffentlichen Dienst“, fürchtet der ÖTV Kreisvorstand., der damit die Position der Kammer-Vertrauensleute übernahm. „Dadurch würde die Position der Gewerkschaft ÖTV gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern erschwert.“ Statt das „Entlassungspapier rigoros“ umzusetzen, wollen die Gewerkschafter „in Tarifverhandlungen eintreten“, um nach „wirklichen Alternativen“ zu suchen.

Die MitarbeiterInnen warten nach diesem Beschluß gespannt, wie sich die Kammer-Präsidentin Irmtrud Gläser auf der „Vollversammlung“ heute abend in Bremerhaven verhalten wird. Denn Gläser ist Mitglied im ÖTV-Kreisvorstand und müßte infolgedessen als Gewerkschafterin das ablehnen, was sie als für die Unternehmensführung verantwortliche Kammer-Präsidentin mit vorschlägt.

Theo Klinger, Pressesprecher der Angestelltenkammer, versteht die Aufregung der Belegschaft und der ÖTV nicht, wie er gegenüber der taz meinte. „Bei diesen Maßnahmen handele es sich lediglich um Vorschläge. Was Beschluß ist, wisse man erst Mittwoch nachmittag oder Donnerstag früh. kes

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