: Gewaltbereite Polizei
Betr.: „Braunschweig marschiert …“ taz nord, 20. Juni
Ich war bei der Demonstration dabei und bin immer noch aufgewühlt. An der Demonstration in Braunschweig 2002 konnte ich leider nicht teilnehmen, aber ich wusste, dass die NPD-Anhänger damals wegen der Blockaden umkehren mussten. Diesmal gab es auch Blockaden. Nur schien die Polizei nicht so gnädig gesinnt.
Das war meine erste Demo, und ich bin keineswegs streitsüchtig. Aber wenn Nazis hier aufmarschieren und selbstgefällig ihre Parolen verbreiten, geht einem verständlicherweise der Hut hoch. Also bin ich mit einer Freundin zur Demonstration gegangen. Am John-F.-Kennedy-Platz wurde uns mitgeteilt, dass wir die versprochene Route nicht nehmen durften. Viele strömten zum Bohlweg, eine der wichtigen Hauptstraßen auf der NPD-Route, um dort eine Blockade zu errichten.
Zu der Zeit hatten sich bereits Unmengen Polizisten dort angesammelt, die sich um die Demonstranten scharten. Es war eine friedliche Sitzblockade. Irgendwann hieß es, dass die NPD der Polizei noch 15 Minuten gebe, um die Blockaden aufzulösen. Auf einmal begannen einige Demonstranten „HINSETZEN!“ zu rufen. Vorn standen noch einige der Polizei gegenüber. Sie wurden sofort von den Sitzenden getrennt und von Polizisten zusammengedrängt, -geknüppelt und weggezerrt. Stehende fielen nach hinten auf Sitzende, es wurden einige niedergetrampelt. Vielen Demonstranten gelang es, sich vor die Barrikaden zu setzen, doch die Polizei trug die Reihen ab, sich passiv ziehen-Lassende wurden getreten und geknüppelt.
Glücklicherweise verbreitete sich die Nachricht, dass die Nazis jetzt über die Güldenstraße ziehen wollten. Von da an war es stundenlang dasselbe: Man ist parallel zum NPD-Zug durch die Straßen gejoggt und hat protestiert. Der Anblick war widerlich: Vorrangig normal anmutende Menschen marschierten mit selbstgefälligem Grinsen über die leer gefegte, breite Straße. Es hat einem die Tränen in die Augen getrieben, wie viele Kinder sie dabei hatten. Pro Meter machte sich ein schwarz gepanzerter Polizist breit. Unter den NPD-Demonstranten befand sich auch ein Mann, der sich exakt wie Hitler frisiert und gekleidet hatte. Die ganze Stadt um sie herum buhte, pfiff und schrie permanent auf sie ein.
Das hämische Lächeln dieser Realitäts-Verweigerer werde ich so schnell nicht vergessen. Was tun die ihren Kindern an? Wann wird diese Partei endlich verboten? Müssen wir mit ansehen, wie ein als Hitler verkleideter Mann durch unsere Straßen marschiert? Denkt die Polizei, sie knüppelt den Widerstand nieder und dann wird alles gut? Ich bin stolz, dass es in Braunschweig so viele Gegendemonstranten gab und maßlos enttäuscht von der Polizei. Ich weiß, dass sie verpflichtet war, die Demonstration zu schützen, aber dass sie die – friedlichen und gerechtfertigten! – Blockaden mit derartigen Methoden aufgelöst hat, zeugt von beunruhigender Gewaltbereitschaft.
NN, Braunschweig (Name und Adresse der Redaktion bekannt)