Gewalt im Vorfeld der Braunkohleproteste: „Ich brech dir die Finger“
Die ProtestlerInnen machen den Ordnungskräften vor Beginn der Antibraunkohleproteste schwere Vorwürfe. Ein Anwalt spricht von Polizeistaatmethoden.
Laut einer der vier Frauen im Auto, die Hannah genannt werden will, sollen die PolizistInnen dabei aggressiv aufgetreten sein. Nachdem sie die Insassen nach eigener Aussage als „Kohleaktivisten“ erkannt hatten, forderten sie nicht nur die Papiere des Fahrers, sondern auch die der anderen.
Eine Überprüfung von MitfahrerInnen dürfe es nicht ohne triftigen Grund geben, sagt Rechtsanwalt Christian Mertens, der die AktivistInnen vertritt. Die Polizei müsse einen konkreten Verdacht haben, dass sie in der Vergangenheit in eine Straftat verwickelt waren oder in naher Zukunft eine begehen werden. Der Grund für den Verdacht müsse den Betroffenen dargelegt werden, sonst seien sie nicht dazu verpflichtet, der Bitte nachzukommen.
„Wir wollten halt wissen, warum wir uns ausweisen sollen“, sagt Hannah. „Bis auf den Fahrer hatte niemand von uns seinen Pass dabei.“ Eine Begründung hätten die PolizistInnen jedoch auch auf Nachfragen nicht geliefert. Hannah zufolge sollen die fünf MitfahrerInnen gewaltsam in einen bestellten Gefangenentransporter gezerrt worden sein, wobei zwei von ihnen verletzt wurden – der einzige Mann durch Schläge an den Kopf, Hannah wurde am Rücken verletzt, weil sie über den Boden geschleift worden sei.
Das Auto sei mit der Begründung beschlagnahmt worden, dass darin zwei Kanister mit verdächtigen Flüssigkeiten gewesen seien, die überprüft werden müssten. Der Fahrer wurde ohne Mobiltelefon zurückgelassen und musste in die nächste Ortschaft laufen. Bei der Flüssigkeit habe es sich um Wasser gehandelt, sagt Hannah. Die abtransportierten AktivistInnen hätten die Nacht in Handschellen in Einzelzellen verbracht. Aktiven Widerstand hätten sie zu keinem Zeitpunkt geleistet. Letzteres bestätigt auch die Polizei.
Staatsschutz übernimmt den Fall
Trotzdem sollen die Beamten laut Hannah auch am nächsten Tag aggressiv vorgegangen sein. Die Frauen seien einzeln von mehreren PolizistInnen in einen Raum getragen worden, wo sie von überwiegend männlichen Beamten fixiert wurden, um ihre Fingerabdrücke zu nehmen. „Ich brech dir die Finger, das ist mir scheißegal“, soll einer der Polizisten zu Hannah gesagt haben.
Inzwischen hat der Staatsschutz in Köln den Fall übernommen. Warum, darüber rätselt auch Anwalt Mertens. Der Staatsschutz werde nur bei Verdacht auf politisch motivierte Verbrechen eingeschaltet. Bislang gebe es aber noch keine Anzeige der Polizei gegen die fünf KohleaktivistInnen.
Ein Pressesprecher der Polizei begründete das Vorgehen seiner KollegInnen bei der Verkehrskontrolle damit, dass im Auto der AktivistInnen „verdächtige Gegenstände“ gewesen seien, die „den Eindruck erweckt haben, dass die Insassen eine Straftat begehen wollten“. Die Überprüfung ihrer Identitäten sei daher allein „im Rahmen der Gefahrenabwehr geschehen“. Welche Gegenstände das Misstrauen der Beamten erweckt haben, konnte der Sprecher nicht sagen.
Von einem beschlagnahmten Auto wusste er nichts. „Es geht aus der Schrift über den Fall nicht hervor, dass da was mit einem Auto war. Auch die Schläge kann ich nicht bestätigen.“
Für Anwalt Mertens ist das Geschehen kein Einzelfall. Wenn sich die Situation so zugetragen habe, wie Hannah berichtet, verstoße das Vorgehen der PolizistInnen gegen das Gesetz. „Wenn der Grund eines polizeilichen Zugriffs nicht genannt wird und trotz Widerstand durchgeführt wird, befinden wir uns in einem klassischen Polizeistaat“, meint Mertens. Er habe in diesem Jahr schon mehrere KlientInnen gehabt, die gegen erlebte Polizeigewalt vorgehen wollten. Die meisten Verfahren wurden eingestellt.
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