: Getrennt marschieren – aufeinander einschlagen
■ IG Bergbau und West-Bergleute demonstrieren in Kassel für die Kali-Fusion / Gleichzeitig Gegendemos in Berlin, München, Ludwigshafen und Frankfurt
Berlin (taz) – In Kassel wollten gestern abend bis zu 2.000 MitarbeiterInnen der westdeutschen Kali- und Salz AG (K+S) gemeinsam mit einigen versprengten Vertretern der ostdeutschen Kali- Bergleute für die umstrittene Fusion ihrer Firma mit der Mitteldeutschen Kali AG (MDK) demonstrieren. Aufgerufen hatten die K+S-Betriebsräte und die IG Bergbau und Energie. In dem Aufruf heißt es, es sei „eine Verpflichtung für jeden Mitarbeiter des Hauses“, an der Demonstration teilzunehmen. Nur mit der Fusion könnten 4.500 Arbeitsplätze im Westen und 3.000 Jobs im Osten gerettet werden. Vor der Wende hatten im Osten etwa 30.000 Menschen im Kali-Bergbau gearbeitet.
Jenseits der Werra, im Thüringer Kali-Revier, ist man nicht überzeugt, daß die Demonstration in Kassel eine gute Idee ist. „Wir werden uns nicht beteiligen, und wir sind auch nicht gefragt worden“, so Achim Wunderlich, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am MDK-Firmensitz in Sondershausen. Die Meinungen bei der MDK-Belegschaft seien sehr geteilt. Lediglich vom Standort Unterbreizbach, der nach den Fusionsplänen als einer von zweien in Ostdeutschland erhalten bleiben soll, fuhr gestern ein Bus mit 50 Mitarbeitern nach Kassel. Roland Gimpel, der als Betriebsratsvorsitzender von Unterbreizbach gleichzeitig dem Gesamtbetriebsrat der MDK vorsteht, sollte nach den Planungen der Westkumpel ein Grußwort auf der Demonstration in Kassel sprechen.
Während die IG Bergbau und die K+S-Betriebsräte in Kassel zwischen 700 und 2.000 Demonstranten zur Unterstützung des Konzernkonzeptes erwarteten, waren gleichzeitig in Berlin, Frankfurt, München und Ludwigshafen Proteste gegen die Kali-Fusion angemeldet. Unter dem Motto „Bischofferode ist überall“ rechnete die Polizei beispielsweise in Berlin mit 500 bis 1.000 Demonstranten. Schon am Mittag wurde in Berlin ein Büro der IG Bergbau aus Protest gegen die Haltung der Gewerkschaft im Bischofferode- Konflikt besetzt.
Die Kumpel aus Bischofferode, die mit ihrem Arbeitskampf die Auseinandersetzung um die Kali- Fusion von Westkonzern und Treuhandfirma MDK erst auf die Spitze getrieben haben, seien an allen vier Orten gleichzeitig vertreten, so Betriebsrat Meinolf Wiehe. Die Demonstration in Kassel wertete er als Versuch der IG Bergbau, sich für ihre westlichen Beitragszahler einzusetzen. „Die Forderungen nach dem Rücktritt des Gewerkschaftsvorsitzenden Berger werden immer lauter“, so Wiehe. „Jetzt versuchen die eben, die Kumpel gegeneinander auszuspielen.“
Bei der IG-Bergbau-Zentrale in Bochum wiederholt man unterdessen noch einmal das Credo der Gewerkschaft. „Ohne die Fusion gehen noch mehr Bergwerke kaputt“, so IGBE-Sprecher Christoph Meer. Man sei auch nach der deutlichen Kriktik des EG-Wettbewerbskommissars Karel van der Miert zuversichtlich, daß die EG die Kali-Fusion letztlich genehmige. Das Konzept des Chemieriesen BASF und der Treuhand ist für die Gewerkschaft nach wie vor das einzig gangbare. Den skeptischen Thüringern beschied der IG-Bergbau-Sprecher, daß schließlich auch „der Gesamtbetriebsrat der MDK der Fusion zugestimmt hat“.
Vor der Demonstration solidarisierte sich auch der Gesamtbetriebsrat der K+S in einem Faltblatt noch einmal mit der eigenen Geschäftsleitung. K+S und Treuhand täten alles, um die Arbeitsplätze in der Industrie zu erhalten. Ein Arbeitsplatzopfer im Westen, „damit ein unwirtschaftliches Werk wie Bischofferode auf Staatskosten erhalten wird“, werde es aber nicht geben. Schließlich könne man „jede Tonne Kali nur einmal verkaufen“. Hermann-Josef Tenhagen
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