piwik no script img

berliner szenenGeteilte Punkliebe

Beim Dreh von „Pissed & Proud“

Zionskirche, Prenzlauer Berg. Mittag, leere Bänke stehen vor den Gaststätten im Sonnenlicht, Vögel schreien. Vor der Kirche steht ein Cateringzelt, es gibt Brot, Kaffee, Butter und Blutwurst. Neben der Kirchtür: Punks. Und merkwürdige, in wallende Batikkleider gehüllte Menschen der Sorte Evangelischer-Kirchentags-Besucher. Daneben wiederum: besser angezogene Leute in Managerhaltung.

Doch die Punks rotzen nicht, schnorren nicht, und Hunde gibt es auch keine. Die Kirchentagsbesucher fühlen sich nicht angegriffen und sind nicht verhuscht. Die Gutgekleideten scherzen mit allen herum. Hier wird ein Film gedreht. „Pissed & Proud“ wird er heißen, gedreht von der Regisseurin Connie Walther, geschrieben von der Christiane-F.-Darstellerin Natja Brunckhorst, und er spielt in Ostberlin, 1982, als Punk- und Kirchentagslook noch was Subversives hatten. Entsprechend sind die Punks gar keine, das Bier ist nicht echt, und die Frisuren sind kein Statement, sondern nur für den Film.

Der tip-Musikredakteur Hagen Liebing hat es als ehemaliges Ärzte-Mitglied übernommen, das Team und die jungen Darsteller in Sachen Punk zu schulen. Er sei dabei gewesen, betont die Regisseurin.

An diesem Mittwoch nun ist Pressetermin, und die Hauptstadtpresse darf am Drehort noch einmal Ostluft aus der Rauchmaschine schnuppern. Liebing ist aber tatsächlich der Einzige, dem das Tragen von Jeans noch etwas zu bedeuten scheint. Ansonsten stehen die Komparsen in ihren merkwürdigen Klamotten reichlich komisch herum, und der Hauptdarsteller albert und wirft sich in eine halbe Billy-Idol-Pose.

Die Kameras der Hauptstadtfotografen blitzen begeistert ab, wieder einmal gibt es einen Anlass, Punk in Berlin schön zu finden. Denn die Darsteller sind ja auch wirklich schön und hübsch und rosig und frisch und so ganz anders als die Punks auf dem Alex. Der Film handelt von der Liebe einer jungen Westberlinerin zu einem Ostpunk (mit Tragik und Stasi).

Die Darstellerin der Westberlinerin jedenfalls muss an diesem Tag zirka viermal aus ihrer sauberen Jeansjacke den wagemutigen Ostberlinrebellendarsteller anlächeln. Dann stimmt die Szene endlich, und die Komparserie kriegt Mittagessen.

JÖRG SUNDERMEIER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen