: „Gesundheit wird zur Ware“
■ ÖTV will die Qualität der Krankenpflege trotz Einsparungen erhalten
„Gesundheitsvorsorge bleibt eine Aufgabe der öffentlichen Hand. Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse, wo Gesundheit zur Ware gemacht wird.“ Marita Rosenow, bei der Gewerkschaft ÖTV zuständig für Krankenhäuser in Bremen und umzu, warnte vor den möglichen Folgen der Gesundheitsreform, die seit Anfang des Jahres die Finanzierung von Krankenhäusern neu regelt. Kurz gesagt: Die Krankenhäuser bekommen weniger Geld. Vorbei die Zeiten, als am Ende des Haushaltsjahres die Krankenkassen zahlten. Jetzt wird am Beginn des Jahres für die Einrichtung ein Budget erstellt, Defizite müssen die kommunalen Träger ausgleichen. „Die Kostendämpfung im Gesundheitswesen darf die Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in den Krankenhäusern nicht gefährden“, hieß es auf gestern dazu auf einer Tagung von etwa 50 Betreibsräten aus Bremer Krankenhäusern.
Der „Pflegenotstand“, der vor vier Jahren die Diskussion bestimmte, sei „anscheinend kein Thema mehr“, kritisierte Brigitte Bach von der ÖTV-Hauptverwaltung. Dabei habe sich an den Arbeitsbedingungen nicht so viel verbessert. Das Bonner Gesundheitsstrukturgesetz, das in aller Eile durch den Bundestag „gepeitscht“ worden sei, so Bach, würde zwar Geld einsparen, aber zu einer Verschlechterung für Personal und Patienten führen: „Die Kommunen werden die Krankenhäuser abstoßen, weil sie zu teuer sind. Rationalisierungen werden die Arbeitsbedingungen verschlechtern, schließlich werden Arbeitsplätze abgebaut.“ Die ÖTV rechnet mit einem bundesweiten Abbau von 160.000 der insgesamt 360.000 Krankenbetten in Deutschland. Die Gewerkschaft prophezeit „Rosinenpickerei“: Private Krankenhäuser würden sich auf den Gebieten breitmachen, wo es Geld zu verdienen gebe, die Versorgung der Bevölkerung gerate ins Hintertreffen.
Was also tun, um bei leeren Kassen die Qualität der Pflege zu halten? Die ÖTV forderte vor allem einen besseren Arbeitsschutz, Qualifikation und Fortbildung des Personals, teamorientiertes Arbeiten und bessere Pflegeplanung und —dokumentation. Die Pflegeforschung solle verstärkt werden und die Erfahrungen aus anderen Ländern einbezogen werden. Zuviel Geld und Zeit werde in den Krankenhäusern noch mit unsinnigen Vorgängen verschwendet: zweimal am Tag beim Patienten Temperatur zu messen sei völlig unnötig. Und Patienten vor der Operation an der Operationsstelle zu rasieren, sei „seit 10 Jahren obsolet und sogar gefährlich. Es wird nur gemacht, weil es immer schon gemacht wurde.“
Bernhard Pötter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen