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Gesucht wird: Foxy Brown aus 36

Antizyklisch zog es Def Jam Germany, den deutschen Ableger des New Yorker HipHop-Labels, nicht etwa in die neue Mitte, sondern ins vermeintlich genretypischere Kreuzberg. Dort hofft man auf straßenweise Rap-Acts und Berliner Soul-Varianten

von THOMAS WINKLER

Ein Hinterhof in der Oranienstraße, eine Fabriketage, die Frankiermaschine steht noch auf dem Boden. Der Blick in ein Büro hat meist nicht allzu viel davon zu erzählen, welch weltbewegende Impulse von ihm ausgehen könnten. Von diesen geschätzten 150 Quadratmetern aus will Def Jam Germany, der frisch gegründete deutsche Ableger der womöglich einflussreichsten Rap-Plattenfirma der Welt, die deutsche HipHop-Landschaft auf die Füße stellen. Oder zumindest ein wenig am boomenden Markt hierzulande partizipieren.

Von der neuen Mitte hat man auch in der Oranienstraße schon gehört. Und erst mal gelacht. „Ich arbeite grundsätzlich antizyklisch“, sagt Marius Herz, „nur weil da alle jetzt hinrennen, ist das für mich ein Zeichen, genau in die andere Richtung zu rennen.“

Auf der Visitenkarte von Herz steht „Head of A & R“. Tatsächlich ist er vorerst der Einzige hier, der für Artist & Repertoire zuständig ist. Im allertiefsten Kreuzberg sind bislang erst einmal vier neue Arbeitsplätze entstanden. Neben Herz arbeiten hier noch eine Sekretärin und, frisch eingestellt, der Mann für die Promotion. Chef ist Oliver Dallmann, sein Titel Marketing Manager.

„Der deutsche HipHop ist etwas Eigenes geworden“, hat Dallmann festgestellt und deshalb zusammen mit Herz das „gemeinsame Baby“ ins Leben gebracht. Zuerst musste die Mercury überzeugt werden, wo die Def-Jam-Platten in Deutschland bislang erschienen und sowohl Dallmann als auch Herz angestellt waren. Dann wurden die Amerikaner überredet, den Namen einer der ältesten und ehrwürdigsten HipHop-Firmen zur Verfügung zu stellen.

Das Geld kommt weiter von Mercury, geschäftlich hat sich also nichts Grundsätzliches geändert. Neu sind der Imagevorteil durch den Namen, das aktive Bemühen um den deutschen Markt und die Möglichkeit, auf lokale Gegebenheiten reagieren zu können. Auf der einen Seite können mit dem Markenzeichen Def Jam deren US-Acts in Deutschland erfolgversprechender vermarktet werden, zum anderen schafft der legendäre Ruf des Labels einen Vertrauensvorschuss bei deutschen Künstlern, die verpflichtet werden sollen.

Schließlich hat die „Mutter aller amerikanischen HipHop-Label“, wie Herz Def Jam charakterisiert, richtungsweisende Alben von Public Enemy, LL Cool J, den Beastie Boys oder Warren G veröffentlicht. Aktuell ist man mit Foxy Brown, DMX, Jay-Z oder dem Hochglanz-R & B von Sisqo gut im Geschäft. Das zweite Album der Spezializtz ist die erste und bislang auch einzige Veröffentlichung von Def Jam Germany. Die beiden Berliner Rapper haben in Interviews bereits davon berichtet, wie ihnen in fremden Länden neuerdings ganz ungewohnter Respekt entgegenschlägt.

Auch wenn man am Busen der Major-Company hängt, soll, darauf legt man Wert, HipHop unterstützt und entwickelt werden. „Wir haben es hier nicht mit der puren Dance-Mucke zu tun, sondern mit einem großen Stück Lebenskultur“, sagt Herz, „das müssen wir bedienen, da können wir nicht mit gecasteten Acts wie der 3. Generation an den Start gehen.“ Nach den Spezializtz unterschrieb kürzlich auch die Rapperin Pyranja. Für das Unter-Unter-Label Def Soul wurden Deema und Bintia unter Vertrag genommen, auf dass sie das momentan tapfer wachsende Segment an deutschem Rhythm & Blues und Soul abdecken mögen. Herz glaubt „persönlich an ein großes Potential“.

Von den USA aus gesehen ist Berlin allerdings ziemlich weit weg. So ist es wohl zu erklären, dass das führende amerikanische HipHop-Magazin The Source seinen Artikel über die Expansion von Def Jam mit einem halbseitigen Foto von DJ Tomekk aufmacht, der beim direkten Konkurrenten Fila Records unter Vertrag steht. Und dass Def-Jam-Präsident Lyor Cohen das Berliner Büro als seine Idee verkauft: „Es war mein Traum, verschiedene Def Jams auf der ganzen Welt zu haben.“ Deutschland soll da nur der Anfang sein. Angeblich liegen aus anderen Ländern schon Anfragen nach weiteren Dependancen vor. „Wir werden 20 Büros haben in den nächsten 18 Monaten“, so Cohen, „als nächstes sind Polen, Japan, Frankreich und England dran.“

Von solcher Großmannssucht ist das Team in der Oranienstraße weit entfernt. „Jeder marktwirtschaftlich denkende Betrieb erwartet steigende Umsätze“, sagt Herz, „aber ob das so eintritt, ist gerade im Entertainmentbereich sehr fraglich.“ Also hat man sich vorgenommen, im ersten Jahr nicht mehr als sechs bis acht Acts zu verpflichten. „Mehr könnten wir auch gar nicht bearbeiten“, so Dallmann. „Wir haben uns selbst gesetzt, was wir erreichen möchten“, bestreitet er jede Einflussnahme aus Übersee, „da gibt es nichts, was uns aufdiktiert wird.“

Die Amerikaner böten vor allem „Begeisterung und Unterstützung“, so Dallmann, aber bislang sei man darauf nicht angewiesen. Zur feierlichen Büroeröffnung allerdings waren Cohen und die anderen Chefs aus New York angereist und es hat ihnen im beschaulichen Kreuzberg gefallen. „Mit denen sind wir um die Ecke zum Türken gegangen“, erzählt Herz, „die waren völlig aus dem Häuschen, die fanden den Multikulti-Flair gut.“

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