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Gestörtes Verhältnis zwischen der Macht und der Jugend

Paris(taz) - Kein Zweifel, die französische Regierung hat dem Druck der Straße nachgegeben. Doch zu spät. Die Ereignisse waren schneller und stellen Premierminister Jacques Chirac heute vor seine erste große innenpolitische Krise. Nach einer Krisensitzung der Regierung am Freitag, verkündete Erziehungsminister Monory am Abend im Fernsehen den Rückzug. Drei der umstrittensten Artikel der Gesetzesvorlage zur Universitätsreform wolle die Regierung streichen. Fortan werde er und nicht mehr Hochschulminister Devaquet, die bisherige Zielscheibe der Studentenbewegung, die Universitätsreform, in die Hand nehmen. Alain Devaquet reichte gleich am nächsten Morgen sein Rüchtrittsgesuch bei Premierminister Chirac ein. Ob die Regierung das Gesuch annimmt, war am Sonntag noch nicht klar, da Premierminister Chirac zur Zeit am EG–Gipfel in London teilnimmt. Die Studentenbewegung hingegen fordert nun nach dem Tod von Malik Oussekine den Rücktritt von Innenminister Charles Pasqua, der zentralen Figur im Kabinett von Jacques Chirac. Der Rückzug der Regierung kommt zu spät, weil interne Auseinandersetzungen Chirac zum Durchhalten zwangen. Nicht der moderate Alain Devaquet war Chefautor der harten Universitätsreform, sondern einer der persönlichen Berater des Premierministers im Hotel Matignon, einst engagiert in der rechtsradikalen Studentenorganisation UNI. Chirac hat im Parlament eine wacklige Mehrheit. Er vollführt bisher erfolgreich einen gewagten Balanceakt zwischen der rechtslastigen gaullistischen Fraktion um Innenminister Pasqua und den moderaten Abgeordneten der rechts–liberalen UDF um den ehemaligen Premierminister Raymond Barre, der im Lager der Rechten als einziger ernsthafter Gegner Chiracs im Rennen um die Präsidentschaft gilt. Barre forderte bereits die völlige Rücknahme des Uni–Gesetzes und klagte gegen diejenigen, „die den Studenten Inkompetenz zuschreiben wollen“. Das richtete sich direkt gegen Chirac, der immer wieder betont hat, die Studenten hätten ihn nicht verstanden. Mit der Regierungserklärung von Erziehungminister Monory verpaßte Chirac indes eine zweite, vielleicht letzte Chance, die Krise beizulegen. Kein Wort verlor der Erziehungminister über die Bedeutung der Studentenbewegung, über die Auseinandersetzungen mit der Polizei, über die Verletzten, die schon am Freitag zu beklagen waren. Er wandte sich an die Eltern und Lehrer, nicht aber an die Demonstranten. Der Tod von Malik Oussekine läßt der Regierung nun kaum noch Chancen, Versöhnungswillen zu zeigen. „Das Verhältnis zwischen der Macht und der Jugend ist für lange Zeit gestört“, bemerkt der aufmerksame Harlem Desir, Präsident von „sos–rascisme“. Die innenpolitische Krise aber wird auf kurz oder lang auch Präsident Mitterrand mit ins Spiel bringen. „Wer immer Gewalt ausübt, hat Unrecht“, lautet bisher sein einziger Kommentar.

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