: Geständnis für Lübecker Anschlag
■ 20jähriger erneuert Aussage, er habe 1996 das Lübecker Asylbewerberheim angezündet. Der Rechtsradikale hatte das Geständnis schon einmal widerrufen: Die Kripo hatte ihn "genervt"
Bonn (Reuters) – Der 20jährige Maik Wotenow hat in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel erneut gestanden, mit drei Freunden für den Brandanschlag auf ein Lübecker Asylbewerberheim 1996 verantwortlich zu sein. Wotenow sagte, Grund für den Anschlag, bei dem zehn Menschen getötet und 38 verletzt worden waren, sei ein Streit mit Heimbewohnern über Drogengeschäfte gewesen. Er selbst habe jedoch nur Schmiere gestanden. Das Feuer hätten seine damaligen Freunde René B. und Heiko P. gelegt, sagte Wotenow, der gegenwärtig wegen diverser Eigentumsdelikte in Haft in Neustrelitz sitzt.
Wotenow hatte bereits Anfang des Jahres gegenüber der Staatsanwaltschaft ein Geständnis abgelegt, es aber wieder zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin zwar neue Ermittlungen auf und befragte Wotenow und die von ihm Beschuldigten erneut. Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schulz erklärte aber, die Äußerungen von Wotenow paßten nur schwer mit den Erkenntnissen der Fahnder zusammen. Experten gehen davon aus, daß das Feuer im ersten Stock des Heimes und nicht von außen gelegt wurde. Im Spiegel äußerte Schulz erneut Zweifel an der Aussage.
Die vier jungen Männer aus Mecklenburg-Vorpommern waren bereits in der Brandnacht im Januar 1996 festgenommen worden, weil sie in der Nähe des Anschlagsortes gesehen worden waren. Drei von ihnen hatten Brandspuren im Gesicht, für die sie bei der Polizei unterschiedliche Erklärungen abgegeben hatten. Da sie laut Staatsanwaltschaft Alibis für die Brandzeit vorweisen konnten, waren die Ermittlungen eingestellt worden. Eine Streifenwagenbesatzung hatte die vier jungen Männer zur fraglichen Zeit an einer Tankstelle gesehen.
Im Juni 1997 war der Libanese Safwan Eid nach monatelangem Prozeß vom Vorwurf freigesprochen worden, er habe das Haus in der Lübecker Hafenstraße angezündet. Das Landgericht sah für eine Täterschaft des Asylbewerbers keine Beweise. In ihrer Urteilsbegründung hatten die Richter die Ermittlungen kritisiert. Die Untersuchungen am Brandhaus hätten nicht immer die geforderte Gründlichkeit erreicht, so daß sich Beweislücken ergeben hätten. Unter anderem waren Beweismittel aus dem Brandhaus nicht gesichert worden. Eids Verteidigerinnen waren stets von einem Anschlag Rechtsradikaler ausgegangen.
Wotenow sagte in dem Interview, sein erstes Geständnis habe er zurückgezogen, weil er „launisch geworden“ sei. Zudem habe ihn das Mißtrauen des vernehmenden Mannes von der Kriminalpolizei genervt.
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