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Gespenstisch

■ Betr.: „Qual der Quote: Die Kan didaten-Kür ist eröffnet“, taz vom 8.2.94

Ein Gespenst geht um in den Zirkeln der AL: Gerd Poppe. Wie kann ein sicherer Listenplatz für ihn verhindert werden, und wie können unsere eigenen Männer (Esser, Ströbele) aussichtsreicher ins Rennen geschickt werden?

Voraussichtlich wird Gerd Poppe von den zuständigen Bezirksgruppen als Direktkandiat für den Bundestagswahlkreis 258 (Pankow/Hohenschönhausen/ Weißensee II) nominiert. Seine Bundestagskandidatur auf einem sicheren Listenplatz dürfte bei den Ostberliner Bündnisgrünen auch konkurrenzlos sein.

Poppe verkörpert die Kontinuität von der Oppositionsgruppe um Robert Havemann über die kirchliche Friedensbewegung in der DDR, der Gründung der Initiative für Frieden und Menschenrechte als der ersten nichtkirchlichen Gruppe, der Oppositionsbewegung im Herbst 1989 über die letzte Volkskammer bis zur jetzigen Bundestagsgruppe. Mit seiner außen- und europapolitischen Kompetenz gehört er ohne Zweifel in die neue Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Seine Position im Bosnienkonflikt wird auch in Ostberlin bestimmt nicht von allen geteilt, aber wir rechnen es gerade zu unserem Credo, eine politische Auseinandersetzung nicht mit Ausgrenzung und Diffamierung zu führen. Opportunismus der Mandatsträger gegenüber den Mitgliedern kennen wir darüber hinaus zur Genüge nicht nur aus anderen Parteien. Nicht zuletzt war der Opportunismus eine wichtige Stütze für das SED-Regime. Wichtig ist, daß sich Gerd Poppe dem Prinzip Verantwortung verpflichtet fühlt, und das hat er bisher immer unter Beweis gestellt.

Man darf gespannt sein, was die alten „AL-Strategen“, in vielen internen linken Gemetzeln gestählt, an Varianten für den Wahlmodus noch erfinden werden, um zu ihrem gewünschten Ziel zu kommen.

Sie sind aber gut beraten, die Interessen der Ostbezirke, und da im besonderen die der ehemaligen Bündnis-90-Bezirksgruppen, nicht zu ignorieren. Denn wir sind im Inneren noch lange nicht die gemeinsame politische Organisation Bündnis 90/Die Grünen, wie sie vielleicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, so daß die sich andeutende Ignoranz neue Divergenzkräfte freisetzen könnte.

Wir sollten uns lieber darauf konzentrieren, die noch bestehenden Gräben zuzuschütten, als sie durch ein solches Schmierentheater, für das bestimmt die nötige Öffentlichkeit hergestellt werden kann, weiter zu vertiefen. Gerald Burkert,

Bündnis 90/Die Grünen

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