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Archiv-Artikel

Bericht über den Mord an al-Hariri lässt Syrien alle Optionen offen Gesicht wahren zum Wohle der Region

Es ist ein enges Netz von Indizien, das der deutsche Staatsanwalt Detlev Mehlis als Sonderermittler der Vereinten Nationen da entdeckt hat. Es weist darauf hin, dass die syrische Regierung zumindest indirekt an der Ermordung des libanesischen Exministerpräsidenten al-Hariri beteiligt gewesen sein könnte. Doch auch nach der Lektüre des sechzigseitigen Berichts, den Mehlis jetzt vorlegte, empfiehlt sich der Konjunktiv. Das Dokument weist zwar interessante Details auf. Doch Mehlis selbst sagt, ein Verbrechen dieser Größenordnung lasse sich nicht in wenigen Wochen aufklären. Klar ist allein, dass das Attentat nur mit hohem Organisationsaufwand und beträchtlichen Ressourcen von den syrischen und libanesischen Sicherheitsdiensten durchgeführt werden konnte.

Aus diesen Unsicherheiten in dem Bericht kann die syrische Regierung durchaus Kapital schlagen. Sie reagierte auf ihn nur mit dem Vorwurf, dass er nicht die nötigen Beweise enthalte, einseitig und politisiert sei. In der Tat: Der Bericht ist keine Anklageschrift, in der alle Beweise gleich mitgeliefert werden. Aber das sollte er auch nicht. Das hätte die Regierung stärker als international gewünscht unter Druck gesetzt. Auch die US-Regierung wird von den Machthabern in Damaskus keinen radikalen Systemwechsel verlangen wollen, wie es im Irak geschehen ist. Eine weitere Krise dieser Art wäre zu viel für den Nahen Osten. Immerhin: Eine UN-Resolution könnte dabei herauskommen. Schärfere Maßnahmen wären in der aktuellen Situation falsch. Nach dem Attentat begann der Wandel im Libanon. Die Menschen dort befreien sich zunehmend aus dem einst festen Griff des Nachbarn.

Die syrische Regierung hat mit dem Bericht alle Chancen, ihr Gesicht zu wahren – muss aber dennoch schnell drastische Konsequenzen ziehen. Einige syrische Politiker sind zwar namentlich genannt, das steht aber einer politischen und personellen Neuorientierung unter der Ägide von Präsident Baschar al-Assad nicht entgegen. Es wird keinen Systemwechsel, keinen Sturz des Herrschers geben. Dieser Linie nach werden wohl die wenigen namentlich Genannten geopfert werden. Der junge Baschar nennt sie jetzt schon Staatsverräter. BERNHARD HILLENKAMP