Gesetzentwurf gegen digitale Gewalt: Schneller als das Justizministerium
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte stellt ihren Entwurf für ein „digitales Gewaltschutzgesetz“ vor. Justizminister Buschmann ist noch nicht so weit.
Normalerweise machen zivilgesellschaftliche Organisationen Vorschläge und die Politik setzt diese (manchmal) in Gesetzentwürfen um. Hier läuft es umgekehrt. Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat im April nur Eckpunkte für ein „Digitales Gewaltschutzgesetz“ vorgelegt, während die GFF nun schon einen 35-seitigen Gesetzentwurf präsentierte.
Konkret sollen Menschen gestärkt werden, so die GFF, die im Netz Opfer von Beleidigungen, Verleumdungen und Bedrohungen werden. Auch jede sonstige Verletzung von Persönlichkeitsrechten, etwa das unbefugte Verschicken von Nacktbildern, soll den Betroffenen Ansprüche gegen die dabei genutzte Online-Plattform geben. Die Opfer können zumindest verlangen, dass der Zugang zum verletzenden Inhalt gesperrt wird. Aber sie können laut Gesetzentwurf auch beantragen, dass der Account des entsprechenden Verursachers „für eine angemessene Zeit“ gesperrt wird.
Der Anspruch richtet sich gegen die jeweilige Plattform, weil die Hetzenden meist unter dem Schutz von Pseudonymen agieren und deshalb rechtlich nicht greifbar sind. „Accountsperren sind das einzige Mittel, das schnell und effektiv dort ansetzt, wo digitale Angriffe stattfinden“, sagte Ulf Buermeyer, der GFF-Vorsitzende, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs. Zugleich bleibe so das Recht auf anonyme Internetkommunikation unangetastet.
Zensur durch die Hintertür verhindern
Wer Opfer eines Schwarmangriffs wird, könnte den Sperrantrag auch gegen viele beteiligte Nutzerkonten stellen. Die „angemessene Dauer“ der Sperre bemisst sich nach der Schwere des Angriffs. Sie kann zum Beispiel vier Wochen, drei Monate oder gar ein Jahr betragen. Letztlich entscheidet das zuständige Landgericht, was angemessen ist. Dass der Hetzer einfach einen neuen Account unter anderem Pseudonym eröffnet, kann das Gericht freilich nicht verhindern.
Damit das neue Recht nicht missbraucht wird, um legitime Meinungsäußerungen mundtot zu machen, müssen die vermeintlichen Hetzer im Verfahren beteiligt werden. Die jeweilige Online-Plattform hat ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, so der GFF-Gesetzentwurf. Diese Stellungnahme sollen sie auch unter ihrem Netz-Pseudonym abgeben können.
Zugleich will der Vorschlag die Opfer der Hetze entlasten. Diese müssen sich nicht unbedingt selbst an das Gericht wenden, sondern können damit auch eine nicht-kommerzielle Beratungsstelle beauftragen.
Mit dem Gesetzentwurf wollen die GFF-Bürgerrechtler:innen nicht nur den Betroffenen von sogenannter digitaler Gewalt helfen, sondern auch die freie gesellschaftliche Debatte verteidigen. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen sich aus Angst vor Drohungen aus dem öffentlichen Diskurs zurückziehen. „Wenn Menschen auf diese Weise mundtot gemacht werden und nur die lautesten und extremsten Stimmen im Netz übrig bleiben, gefährdet das unsere Demokratie“, kritisierte Steffen Jost von der Alfred Landecker Stiftung, die das Projekt unterstützt.
Der Gesetzentwurf der GFF geht an zwei Punkten über die Eckpunkte des Justizministeriums hinaus. So sollen die Opfer von strafbarer Hetze sofort Accountsperren beantragen können und nicht nur bei Wiederholungsgefahr. Außerdem sollen Nutzerkonten auch wegen Volksverhetzung gesperrt werden können. Antragsberechtigt wären dann alle Mitglieder der angegriffenen Gruppen.
Vor allem aber verzichtet der GFF-Entwurf auf verbesserte Auskunftsrechte der Betroffenen. Während Justizminister Buschmann den Opfern einen Anspruch auf Mitteilung der vom Hetzer benutzten IP-Adresse geben will, damit diese so dessen Klarnamen recherchieren können, lehnt die GFF dies ab. Sie sorgt sich, dass damit ein neuer Grund für die Einführung einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung geschaffen wird. Das aber ist sicher nicht die Absicht von Buschmann, der ja selbst einer der größten Gegner von Vorratsdatenspeicherungen ist.
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