: Gesetze sind zum Tricksen da
■ Umweltbehörde sorgt für Hafenerweiterung: Naturschutzgebiet Alte Süderelbe wird so verändert, daß es nicht mehr stört Von Heike Haarhoff
Mit erstaunlicher „Dringlichkeit“ will die Hamburger Umweltbehörde die Verordnung zum Naturschutzgebiet (NSG) „Alte Süder-elbe“ grundlegend verändern. Künftig soll die Öffnung des seit 30 Jahren stillgelegten Flusses zur „Herstellung eines tidebeeinflußten Gewässers“ explizit als Schutzziel festgeschrieben werden. Ziel ist es, unliebsame Naturschutzbestimmungen aufzuheben oder zumindest so zurechtzubiegen, daß sie der Hafenerweiterung in Altenwerder nicht länger entgegenstehen. „Eine einzigartige Gesetzes-Trickserei“, kommentiert Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).
Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, so die Hoffnung, könnte wegen der geänderten Gesetzeslage den Baustopp wieder aufheben. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht Ende März die Hafenausbau-Pläne der Wirtschaftsbehörde vorläufig gestoppt. Neben schweren Verfahrensfehlern habe die Behörde insbesondere den Naturschutz grob mißachtet: Als Ausgleich für die Zerstörung Altenwerders wollte diese die Alte Süderelbe öffnen. Das dadurch entstehende, tidebeeinflußte Gewässer sei noch wertvoller als das jetzige Biotop.
Das Gericht widersprach: Die Behörde könne nicht davon ausgehen, „daß die Öffnung der Alten Süderelbe dem Grunde nach gesichert“ sei. Das hierzu „erforderliche wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren“ fehle ebenso wie eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Ungeklärt sei auch, wie die Grundwasserverhältnisse beeinflußt würden. Die NSG-Verordnung verbiete überdies Eingriffe in den Wasserhaushalt. Kurz: Es gebe keine „Grundlage“ für die Entscheidung, die Alte Süderelbe zu öffnen.
Mit allen Mitteln versucht die Wirtschaftsbehörde nun, diese Grundlage nachzuliefern. Als Gehilfin erweist sich die Umweltbehörde: Flugs wurden in vorauseilendem Gehorsam Pläne erstellt, die demnächst vom Senat beschlossen werden sollen: Die zusammenhängende Fläche „NSG Alte Süderelbe“ wird künftig zweigeteilt. Die Westerweiden im Norden heißen weiterhin „NSG Alte Süderelbe“ und unterliegen denselben Schutzzielen wie bisher. Der südliche Teil aber, in dem die Alte Süderelbe liegt, wird in „Finkenwerder-Süder-elbe“ umbenannt.
Geändert wird nicht bloß der Name: Vorübergehend wird das Naturschutzgebiet aufgehoben, die Öffnung der Alten Süderelbe wird später – ohne den ökologischen Vorteil nachgewiesen zu haben – völlig willkürlich als Schutzziel festgeschrieben. „Wenn man die Öffnung will, hätte diese Rechtsanpassung früher oder später sowieso erfolgen müssen“, will Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig „die Aufregung der Naturschutzverbände nicht verstehen“.
Die beklagen, daß zur Änderung der NSG-Verordnung weder die gesetzlich vorgeschriebene öffentliche Auslegung noch die vierwöchige Anhörungsfrist eingehalten wurde. Statt dessen lud die Behörde die Verbände am 21. Mai kurzerhand für den nächsten Tag zur Anhörung ein. Ihre Stellungnahmen, so die freche Aufforderung, sollten sie bis zum 24. Mai abgeben. Den Grund für diese Hektik kennt Fabig „auch nicht so genau“. Der BUND schon: „Die Umweltbehörde verabschiedet sich zugunsten der Hafenerweiterung von verantwortungsvoller Naturschutzpolitik.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen