Gesellschaftliche Elite in Deutschland: Oben wird es eintönig

In gesellschaftlichen Eliten fehlen Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund zumeist. Das fällt sogar dem Rest der Gesellschaft auf.

Passanten laufen entlang der Spree in Berlin vor einem Regierungsgebäude, dem Marie-Elisabeth-Lüders Haus

Wer schafft es nach oben? Eliten sind in Deutschland vor allem weiße Westdeutsche Foto: Karsten Thielker

BERLIN taz | Ostdeutsche und Menschen mit Migrationshintergrund haben mindestens eine Gemeinsamkeit: Sie sind in der deutschen Elite unterrepräsentiert. Das belegt die am Montag veröffentlichte Studie „Soziale Integration ohne Eliten?“ des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), der Hochschule Zittau/Görlitz und der Universität Leipzig. Dieser Umstand habe negative Auswirkungen auf die Integration und die liberale Demokratie, heißt es in der Studie. Die Wissenschaftler:innen fanden zudem heraus, dass selbst die westdeutsche Mehrheitsgesellschaft die fehlende Repräsentation wahrnimmt und damit nicht zufrieden ist.

Die deutsche Gesellschaft ist dreißig Jahre nach der Wende und zwanzig Jahre nach Reform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts so heterogen wie nie zuvor. Laut der besagten Studie ist jede fünfte Person in Deutschland ostdeutsch und jede vierte hat einen Migrationshintergrund. Die Untersuchung von gut 3.000 Elitepositionen ergab jedoch, dass von 10 Chefsesseln lediglich je einer von Menschen aus diesen beiden Gruppen besetzt ist. Der Weg zur Repräsentation bleibt lang.

Zur Elite gehören nicht nur DAX-Vorstände und Bundestagsabgeordnete. Neben Politik und Wirtschaft haben die For­scher:innen des DeZIM-Instituts sowie der Universitäten Leipzig und Zittau-Görlitz zentrale ­Führungspositionen in den Bereichen Verwaltung, Wissenschaft, Gewerkschaften, Justiz, Militär, Sicherheit, Medien, Kultur, Zivilgesellschaft und Religion untersucht. Abgesehen von der Tendenz „unterrepräsentiert“ unterscheiden sich die Ergebnisse der einzelnen Bereiche enorm.

Die Daten zeigen beispielsweise, dass Ostdeutsche in der Politik bereits gut aufgestellt sind, während (Post-)Mig­rant:in­nen mit 7,7 Prozent bisher deutlich unterrepräsentiert bleiben. Anders sieht es im Bereich Religion aus. Dort sind Menschen mit Migrationshintergrund fast repräsentativ vertreten, Ostdeutsche mit 5 Prozent hingegen kaum.

Justiz und Militär schneiden besonders schlecht ab

Auch in den Medien gibt es zwischen den beiden Gruppen klare Unterschiede. Menschen mit Migrationshintergrund sind mit anteilig 17,7 Prozent zwar noch nicht entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil in den Führungspositionen aufgestellt, Ostdeutsche hängen mit 7 Prozent Beteiligung der Repräsentation jedoch noch weiter zurück. Besonders schlecht schneiden die Bereiche Justiz und Militär ab. Dort liegt der Anteil beider Gruppen an der Elite bei unter 2 Prozent.

Seit vielen Jahren wird diskutiert, wie sich der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund und Ostdeutschen in Führungspositionen erhöhen ließe. Auf der Suche nach Lösungswegen sind der direkte Vergleich von Ostdeutschen und Menschen mit Migrationshintergrund und auch die Aufschlüsselungen der Bereiche der Studie wegweisend. Die Unterschiedlichkeit der Ergebnisse zeigt, dass es Unterschiede in den Aufstiegschancen, Aufstiegshindernissen und Rekrutierungswegen für die verschiedenen Bereiche gibt und somit auch nicht die eine Lösung des Problems.

Was auch neu ist: Diese Tatsachen bewegen nicht nur (Post-)Mi­grant:innen und Ostdeutsche. Eine im Rahmen der Studie durchgeführte Bevölkerungsumfrage ergab, dass ein Großteil der Deutschen die Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund und Ostdeutschen in zentralen Führungspositionen wahrnimmt.

Bemerkenswert ist auch, dass drei Viertel der Befragten diese fehlende Repräsentation als problematisch wahrnehmen, weil es so an Interessenvertretung, Erfahrungen, einem kollektiven Beteiligungsgefühl und schlichtweg an Gerechtigkeit fehle. Lediglich jede:r Fünfte:r sieht den fehlenden Aufstieg als individuelles Problem an. Das Bild der Chancengleichheit scheint auch bei der Mehrheitsgesellschaft zu bröckeln – doch wer macht Platz?

Gesetzliche Quoten werden laut der Studienergebnisse lediglich von einem Viertel der Befragten als sinnvoll erachtet. Öffentliche Förderungen und eine Stärkung der Stimme erscheinen dem Großteil der Befragten als sinnvollere Lösungsoptionen. 58 beziehungsweise 68 Prozent der Befragten meinen gar, es brauche für die Repräsentation ostdeutscher beziehungsweise (post-)migrantischer Menschen keinerlei Gegenmaßnahmen. Nun liegt es an der Wissenschaft, auch dieser Annahme Abhilfe zu leisten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.