Gesellschaft: Putins deutsche Wölfe
Die Nachtwölfe sind ein putintreuer Motorradclub aus Russland und stehen seit 2022 auf der EU-Sanktionsliste. Nun hat der deutsche Ableger des Clubs auf einem Campingplatz im Taubertal eine Sommerparty veranstaltet.
Von Timo Büchner
Etliche Polizeitransporter parken am Rande eines Campingplatzes in Bad Mergentheim. Die Kurstadt liegt im Taubertal, einer Region im Nordosten Baden-Württembergs. Der 20. Juli ist ein heißer Sommertag: Während Polizist:innen einen erträglichen Ort im Schatten suchen, laufen die Motoren einiger Transporter, um die Polizeihunde mit frischer, kühler Luft zu versorgen.
An diesem Wochenende feiert der deutsche Ableger der Nachtwölfe, eines berüchtigten Motorradclubs aus Russland, auf dem Campingplatz eine mehrtägige „Sommerparty“. In ihrer Einladung haben sie betont, die Party sei eine „Privatveranstaltung“. Willkommen seien „nur geladene Gäste“.
„Wir wollen sehen, wer zur Veranstaltung kommt“, sagt ein Sprecher der Polizei. Um die Teilnehmer:innen und deren Fahrzeuge nach Waffen zu durchsuchen, finden Kontrollen an der Ab- und Zufahrt statt. An der „Sommerparty“ nehmen mehr als 100 Menschen teil. Einige Teilnehmer:innen kommen aus der Region. Doch die meisten Fahrzeuge tragen ortsfremde Kennzeichen: Pforzheim, Meißen, Rüdesheim, Zeulenroda. Gegen Abend, als die Temperaturen sinken, beendet die Polizei ihren Einsatz. Um 19:30 Uhr reisen die Transporter in einer Kolonne ab. Dann sind die Nachtwölfe unter sich. Sie feiern, tinken. Vor allem Männer sind da, aber auch ein paar Frauen. Bereits im Oktober 2023 soll eine Party der Nachtwölfe auf einem Grillplatz in Bad Mergentheim stattgefunden haben. Damals schrieben sie in der Einladung, man erhebe „keine Ansprüche“ und wolle „kein Gebiet“.
Keine Ansprüche, kein Gebiet? Das ist äußerst fraglich: Denn die Nachtwölfe, die 1989 in Moskau gegründet wurden, vermengen Nationalismus mit christlicher Orthodoxie und propagieren ein großrussisches Reich. Zum Beispiel beanspruchen sie das Gebiet der ukrainischen Krim. Im Frühjahr 2014 waren sie an der Besetzung und Annexion der Halbinsel am Schwarzen Meer beteiligt, indem sie durch die Straßen patrouillierten und Passant:innen an selbst eingerichteten Posten auf Waffen kontrollierten.
Der Biker und der Präsident
Daraufhin verlieh Putin dem Anführer und Gründer der Nachtwölfe, Alexander Saldostanov, die „Medaille für die Rückholung der Krim“. Saldostanov durfte gar, als die Olympischen Winterspiele 2014 in Russland stattfanden, die Fackel tragen. Bis heute unterstützt er mit seinen Nachtwölfen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Daher setzte die EU sowohl den Motorradclub als auch Saldostanov im Juli 2022 auf ihre Sanktionsliste. So wird Saldostanov, der einige Jahre in Deutschland lebte, die Einreise in die EU verboten.
In seiner Begründung schreibt der EU-Ministerrat, der Nachtwölfe-Chef sei ein „wichtiger Unterstützer der russischen Regierung“ und pflege „enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin“. Saldostanov fördere die russische Staatspropaganda, „indem er das Recht der Ukraine auf Staatlichkeit öffentlich leugnet und die ‚Entnazifizierung‘ und die ‚Ent-Ukrainisierung‘ des Landes fordert und den Gedanken propagiert, dass die Ukraine integraler Bestandteil Russlands sein sollte“. Bereits 2014 veranstalteten die Nachtwölfe eine Show mit 100.000 Menschen in der Krim-Metropole Sewastopol, in der sie die Annexion der ukrainischen Halbinsel feierten.
Auf VK, Russlands Facebook-Pendant, stellt Saldostanov seine Kriegsverherrlichung zur Schau. Ein Video, das er am 18. Juli 2024 postete, zeigt russische Soldaten beim Abfeuern eines Artilleriegeschosses. Einer der Soldaten, offenbar der Kommandeur der Truppe, trägt eine schwarze Lederkutte der Nachtwölfe. Seine olivgrüne Schildkappe zeigt ein großes „Z“. Der Buchstabe ist ein Symbol des russischen Militärs, in der Öffentlichkeit wird mit ihm die Unterstützung für die russische Invasion zum Ausdruck gebracht. Das Video macht deutlich: Die Nachtwölfe sind in Russlands Krieg gegen die Ukraine involviert – und ihr Anführer macht keinen Hehl daraus.
Nachtwölfe MC Germania
Seit mehreren Jahren fahren die Nachtwölfe anlässlich der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und des Endes des Zweiten Weltkrieges 1945 von Russland nach Berlin. Am 9. Mai, der nach Moskauer Zeit den „Tag des Sieges“ markiert, treffen die Biker am „Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park“ ein, einer Gedenkstätte mit imposantem Friedhof zu Ehren der gefallenen Soldaten der Roten Armee.
Als die Nachtwölfe im Jahr 2015 ihre erste „Siegestour“ durchführen wollten, versuchten die Bundesregierung und mehrere Regierungen osteuropäischer Staaten, die Einreise zu verhindern. In Deutschland wurde das Einreiseverbot mit der „Bedrohung für die öffentliche Sicherheit“ begründet. Allerdings hatte das Berliner Verwaltungsgericht die Einreiseverbote nach Deutschland aufgehoben.
Seitdem die Nachtwölfe auf der EU-Sanktionsliste stehen, findet die alljährliche „Siegestour“ ohne russische Mitglieder des Motorradclubs statt. Unter den Teilnehmer:innen der diesjährigen Tour waren auch deutsche Nachtwölfe. Erst Anfang 2023 wurde der Nachtwölfe MC Germania gegründet. Vor der Gründung des deutschen Ablegers waren sie in einem transnationalen Chapter organisiert. Das geht aus der Antwort einer Kleinen Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Oliver Hildenbrand im Stuttgarter Landtag hervor.
Veröffentlichte Fotos der „Siegestour“ zeigen, wie Nachtwölfe mit einer Russlandflagge in der Gedenkstätte posieren. Nach der Fahrt klagten die deutschen Nachtwölfe auf ihrer Facebook-Seite, die Polizei habe versucht, „uns zu brechen“. Man habe bloß in Zehnergruppen an das Mahnmal herantreten dürfen. Kampfeslustig stellten sie klar: „Wir werden uns NIEMALS brechen lassen!!!!!!“
Laut Polizei sollen Mitglieder der Nachtwölfe MC Germania im Raum Bad Mergentheim leben. Das erklärt, warum die „Sommerparty“ auf einem Campingplatz der Kurstadt stattfindet. Eines der Mitglieder, das in der Region wohnt, nahm Anmeldungen zur Party entgegen und betreut offenbar die Facebook-Seite des deutschen Chapters.
Äußerungen, die das Mitglied im Netz tätigt, lassen Einblicke in den Antiamerikanismus der Nachtwölfe gewähren. Einmal behauptete der Nachtwolf, Deutschland sei ein „vom Ami besetztes Land“, und appellierte: „Wacht auf!!!!!“ Ein andermal postete er eine Weltkarte mit Stützpunkten des US-Militärs und fragte: „Wer ist denn hier der Kriegstreiber?“
Derweil bringen die deutschen Nachtwölfe auf dem Campingplatz eine Russlandflagge an. Putins Russland scheint für sie ein Friedensengel zu sein.
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